wilde perspektiven

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Samstag, 16. März 2024

Viel Altes und wenig Neues

Kinners, nachts ist es bekanntlich kälter als draußen. 

Und Russland hat an diesem Wochenende die Qual der "Wahl".

Wenn ihr diese beiden Ein-Satz-Witze heil überstanden habt, dann kann ich endlich mit dem eigentlichen Thema des heutigen Beitrages beginnen, ihr meist heimlichen Besucher dieser tollen Seite da draußen. 

Falsch, denn dieses eigentliche Thema existiert heute gar nicht. 

Jedenfalls gibt es keinen roten Faden, eher einen Flickenteppich.

Weil sich im ostfriesischen Outback in den letzten Wochen nicht so furchtbar viel getan hat, gibt es heute vor allem Bilder aus der Konserve, die ich hier schon vor vielen Jahren gezeigt habe und die bei euch vielleicht schon in Vergessenheit geraten sind, weil ihr nur über ein Spatzenhirn verfügt.

Okay, ich kann nicht hundertprozentig ausschließen, dass einige der Fotos, die ich jetzt in diesen brandneuen Beitrag packen werde, zwar alt, aber doch irgendwie auch ganz neu sind. Ich meine, um zu überprüfen, ob ich sie jemals in diesem Blog präsentiert habe, müsste ich jetzt ganz weit in der Zeit zurückgehen und all die uralten Berichte durchstöbern, aber dazu fehlen mir Zeit und Lust. 

Verstanden? 

Seht:


see below

Übrigens: Während ich jetzt hier sitze und schreibe, brüllt in einem der benachbarten Gärten ein Benzinrasenmäher so laut herum wie ein brünftiger Löwe in der Serengeti. 

Meine Fresse, wie habe ich dieses vertraute Geräusch der urbanen Bereiche dieser Republik den ganzen Winter über vermisst. All die Monate der kalten und finsteren Jahreszeit musste man sich mit dem Sound der Motorsäge zufriedengeben. 

Endlich ist alles wieder gut.

Ein Raubwürger:







today I show you almost exclusively old pictures, because at the moment nothing is happening in the outback, but few new images are added

Dieses Prachtexemplar fotografierte ich am 2. Februar 2011 irgendwo in den Meeden zwischen dem Großen und dem Kleinen Meer. 

Es war bitterkalt zu dieser Zeit, und es lag eine geschlossene Schneedecke über dem Weideland. Doch als Raubwürger macht einem all das rein gar nichts aus. Man steht auf dem höchsten Zweig eines Busches und wartet und hofft einfach geduldig darauf, dass irgendwann jemand vorbeikommt und einem etwas zu essen bringt.  

Und das war ich!

Mit leckeren Grillen aus dem Zoogeschäft konnte ich den Vogel schnell ködern und davon überzeugen, unmittelbar vor mir in der Luft zu tanzen. 

Wenn ihr euch bemüht und sucht, könnt ihr in meinem Blog mindestens einen entsprechenden Beitrag über diesen Vogel finden.

Das gilt natürlich auch für den folgenden Kandidaten:



this second year Little Gull I found at the end of January 2015 close to the dike at Hamswehrum

Der entsprechende Bericht trägt den wunderbaren Titel: Die Zwergmöwe Jonathan

Ich entdeckte Jonathan seinerzeit Ende Januar 2015 bei Hamswehrum. Auf der Suche nach Regenwürmern flog er den schmalen Deichweg auf und ab. Immer wieder. Ich brauchte also nur noch eine Handvoll Mehlwürmer auf den Asphalt zu werfen und auf seine Rückkehr zu warten, und schon war es vorbei mit der Nahrungssuche. Punktgenau landete der Vogel, der sich im zweiten Kalenderjahr befand, in seinem persönlichen Schlaraffenland. 

Von nun an gab es keine Scheu mehr:



I called him Jonathan (Seagull)

Weil es nie schaden kann, sich etwas Fett anzuessen, blieb Jonathan gleich mehrere Tage. 

Und auch an diesen Tagen war es bitterkalt, wie es die beiden folgenden Aufnahmen eindrucksvoll belegen:





it was so cold

Und meistens auch bedeckt und finster:


cold and dark

Doch irgendwann ließ sich auch mal die Sonne blicken:


but then the sun came out, but was instantly much too bright



so cute

Wenn ich am frühen Morgen am Deich auftauchte, dann kam mir Jonathan schon entgegengeflogen! 

Und wenn ich dann nach seinem Geschmack die Mehlwürmer nicht schnell genug auspackte, dann umkreiste mich der Vogel fliegend und rief unablässig. Das war wirklich ein sehr schönes Erlebnis, an das ich jetzt, da ich meine Erinnerungen so viele Jahre später erneut niederschreibe, mit einem Schmunzeln zurückdenke. 

"Hunger, Hunger, Frank, ich habe Hunger!" so könnte man die etwas krächzenden Rufe des kleinen Vogels salopp übersetzen. 

Und wenn Jonathan schließlich satt war, flog er ins nahe Watt, um sich dort ausgiebig zu putzen:



preening

Oder einfach auf dem Wasser herumzudümpeln:  



Jonathan swimming

Dehnübungen sind auch wichtig:


sporty Little Gull

Am 23. Februar 2024, also vor gar nicht allzu langer Zeit, rasteten in der so genannten Mittelplate der Leybucht ganz viele Goldregenpfeifer:


resting Golden Plovers

So große Trupps von dieser Art kann man in Deutschland nur an der Nordseeküste entdecken und bestaunen:


with Northern Lapwing

Die Kiebitze standen Spalier.

Vielleicht hat dort eine Hochzeit stattgefunden oder so.

Weitere Kiebitze, aufgenommen am selben Tag am selben Ort, allerdings unter verschiedenen Lichtbedingungen:



Northern Lapwing

Ich stand übrigens auf dem Deich, als ich all das Gezeigte in Bildern festhielt.

Am 14. April 2016 fand und fotografierte ich eine Koblauchkröte auf einem Standortübungsplatz in Aurich-Brockzetel: 


this Common Spadefoot I found in April 2016 on a military training area near the "city" of Aurich

Damals stellte dieser Fund den ersten für Ostfriesland seit über zwanzig Jahren dar!

Eine spektakuläre Sache, wie ich auch heute nich finde. 

Doch leider folgten später einige Jahre mit sehr trockenen und heißen Sommern, sodass der Grundwasserspiegel immer weiter absank und das kleine Laichgewässer auf dem Übungsplatz oft schon im März kein Wasser mehr führte.

Für die Knoblauchkröte und natürlich auch alle anderen Amphibien ein echtes Endzeitdebakel! 

Denn wie sollen diese Arten überleben, wenn sie keine Kinder mehr machen können? Glücklicherweise haben der Herbst 2023 und der darauffolgende Winter endlich wieder genug Wasser geliefert, und ich wette, die Bedingungen auf dem Übungsplatz dürften in diesem Jahr deutlich besser sein. 

Vielleicht werde ich das im April mal überprüfen und Richtung Aurich düsen mit meinem geilen Auto. 

Moin:



same specimen  

Auch über dieses Glubschauge gibt es einen entsprechenden Beitrag in diesem Blog mit dem einfachen wie passenden Titel Knoblauchkröte.  

Am 4. November 2014 knipste ich diesen Kugelknutt auf dem Deckwerk an der Wasserkante bei Pilsum:


Red Knot

Einen eigenen Bericht hat er nicht bekommen. 

Am 4. März 2024 stolzierte eine männliche Trauerbachstelze wie ein selbstverliebter Popanz auf dem Dach des Restaurantes Strandlust herum und sang sein garstiges Lied: 



male Pied Wagtail seen a couple of days ago

Möglicherweise bis sehr wahrscheinlich handelte es sich bei dem Vogel um einen, der bereits ein Jahr zuvor dort gebrütet hatte.  

Zusammen mit einer echten Ostfriesin hatte er 2023 im Dunstkreis des Parkplatzes seine Brut hochgezogen, die künftig vielleicht unter Vogelguckern für Bestimmungsprobleme sorgen könnte, weil die Blagen Merkmale beider Unterarten zeigen dürften. 

Am 24. Februar 2024 sah ich wieder einmal einen Waldwasserläufer in einem der vielen Entwässerungsgraben herumstehen:


another wintering Green Sandpiper on 24th February 2024

Diesmal aber nicht in Westermarsch, sondern zwischen Greetsiel und Visquard. 

Bessere Bilder von dieser Art könnt ihr u. a. im vorletzten Bericht sehen. 

Am 10. November 2023 blies in Norddeich ein ganz fieser und kalter Wind. 

Trotzdem gab es an diesem Tag neben mir selbst mindestens einen weiteren Zeitgenossen, der sich schon am frühen Morgen ganz mutig ins Freie getraut hatte:


who was sunbathing on a cold day in last November?

Und, um wen handelt es sich? 

Augen auf, ihr Knallerbsen

Oben links wird es ganz heiß.

Genau, es war ein Weberknecht:


Harvestman on a cold day last November

Und obwohl der kaum was auf den Rippen hatte, zitterte er nicht einmal ein bisschen. 

Eine hübsche Mittelspechtin für euch:


female Middle Spotted Woodpecker

Neugierig, vielleicht aber auch ein wenig misstrauisch schaute die Dame in meine Kamera. 

Dieses Bild und viele weitere schoss ich im März 2016 im Ihlower Forst.  

Der Mittelspecht besiedelt in Ostfriesland nahezu alle größeren Waldgebiete auf der Geest. Und ihn vor die Linse zu locken, ist keine große Herausforderung; ein einzelner Meisenknödel reicht da völlig aus. 

Über diesen hübschen Vogel gibt es gleich mehrere Berichte in diesem Blog, und einer davon trägt den Titel: Im Märchenwald der Mittelspechte.

Am 4. März 2024 huschte ein winziges Sommergoldhähnchen durch die Gebüsche auf dem Rysumer Nacken:  



tiny Firecrest few days ago

Und so plötzlich, wie es aufgetaucht war, war es auch schon wieder verschwunden. 

Auch am 22. Januar 2016 muss es sehr, sehr frostig gewesen sein:

when thick ice covered almost all water bodies in January 2016, Great White Egrets were gathering around one of the last remaining ice-free waterholes and waiting for lecker food

Dieses wirklich herausragende Bild von gleich fünf Silberreihern, die geduldig an einem der letzten verbliebenen Eislöcher auf Beute warteten, schoss ich im Januar 2016 am so genannten Reiherschloot im Ihlower Forst. 

Und wenn man jetzt die vielen Bilder in diesem Beitrag sieht, die offensichtlich an sehr kalten Tagen mit massig Eis und Schnee entstanden sind, dann könnte man fast meinen, Ostfriesland sei ein echtes Winterparadies. Doch tatsächlich hat es sich hier ausnahmslos um kurze Kältephasen innerhalb eher milder Winter gehandelt. Richtig lange und kalte Winter hat es hier zuletzt in den Jahren 2009 bis 2012 gegeben, wenn ich mich richtig entsinne.

Und auch der jetzt ausklingende Winter ist nicht einmal ein Papiertiger gewesen. Falls doch, dann aber einer ohne Reißzähne. Lau, so könnte man ihn mit einem Wort beschreiben. Sogar so lau, dass mir in diesem noch jungen Jahr bereits am 22. Februar die ersten Schwarzblauen Ölkäfer der Saison vor die Füße gekrabbeltt sind! Wie fast immer am Deich bei Manslagt. Es waren die für mich saisonmäßig frühesten Ölkäfer überhaupt gewesen, doch erstaunlich ist das auch wieder nicht, war der Februar 2024 doch der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. 

Jetzt, im März, protzt der Frühling allerorten mit neu erwachendem Leben. Und auch die Feldhasen geben zurzeit richtig Gas und balzen sich einen Wolf:




European Hare

Die drei Bilder dieser Gruppe, die aus neun Individuen bestand, habe ich erst heute, also am Tag der Freischaltung dieses Beitrages, bei Manslagt aufgenommen. 

Dort sah und hörte ich auch die ersten singenden Blaukehlchen des Jahres. Gleich sieben an der Zahl auf wenigen Hektar waren es. Da ich heute zur selben Tageszeit denselben Weg gegangen bin wie bereits gestern und ich gestern kein einziges Blaukehlchen entdecken konnte, kann man davon ausgehen, dass all diese Männchen zeitgleich in der Nacht von Samstag auf Sonntag hier angekommen sein müssen. Synchron, wenn man so will, aber ohne sich über Facebook oder WhatsApp abzusprechen. 

Unglaublich!

Doch eine plausible Begründung für dieses perfekte Timing gibt es natürlich auch. 

Die letzten Tage hatte hier ein ganz übler und kalter Wind aus westlichen Richtungen gepustet, doch der flaute schließlich am Samstagabend ab. Die darauffolgende Nacht war also die erste sehr ruhige seit einer gefühlten Ewigkeit gewesen. Vögel und somit auch das Blaukehlchen nutzen so eine Gelegenheit für ihren Zug sehr spontan aus. Ist das Wetter also scheiße, verharren sie an Ort und Stelle (Zugstau), bessert es sich zu ihren Gunsten, fliegen sie raus in die dunkle Nacht. 

Es ist jetzt nicht wirklich neu, dass das Blaukehlchen sehr gut die Rufe oder den Gesang anderer Vögel imitieren kann. Aber eines der sieben Männchen von heute Morgen war ein echter Meisterspötter, der gleich drei andere Arten perfekt nachmachen konnte: nämlich Zilpzalp, Bruchwasserläufer und Flussregenpfeifer

Der Bruchwasserläufer z. B. kommt in Ostfriesland nie vor Mitte April an, oft sogar erst deutlich später. Hört man also diesen Vogel bereits im März, dann kann man davon ausgehen, dass da irgendwo ein Blaukehlchen seinen Schabernak treibt. Es kann also nie schaden, eine jahreszeitlich ungewöhnliche Feststellung auch visuell abzusichern. 

Und das gilt natürlich nicht nur für das zeitige Frühjahr. Und keineswegs ausschließlich für das Blaukehlchen, gibt es doch noch viele weitere Singvogelarten, die sich einen Spaß daraus machen, uns Vogelgucker mal so richtig zu verarschen.

Die vielleicht sogar nur aus diesem einen Grund singen!

Im Gesang des geilen Sumpfrohrsängers z. B., der ja bekanntlich immer erst erst ab dem 10. Mai und somit als letzter Afrika-Urlauber bei uns im kühlen Norden eintrudelt, sind nicht selten die Rufe des Bienenfressers enthalten. Solche Rufe habe ich hier schon sehr oft gehört, doch nur zweimal hat es sich tatsächlich um Bienenfresser gehandelt, einmal im Wybelsumer Polder, einmal bei Aurich. In allen anderen Fällen konnte ich schließlich jeweils einen Sumpfrohrsänger entdecken, der sich natürlich ein hämisches Grinsen nicht mehr verkneifen konnte, wenn er sah, dass ich ihn sah.

Nochmal Kiebitze in der Leybucht:



more Lapwings

Und Goldregenpfeifer:



and more Golden Plovers

Den Abschluss dieses Berichtes überlasse ich Jonathan: 


the young Little Gull and the sea

Im Januar 2015 blickte die süße Zwergmöwe auf die weite See hinaus. 

Was mag aus ihr geworden sein?

Ein Lebensalter von zehn Jahren dürfte für diese Art jedenfalls keine Ausnahme darstellen. Und so hoffe ich, dass Jonathan sich auch heute noch bester Gesundheit erfreut. 

Das wäre schön.

Zu guter Letzt: Wie ich gerade erfahren habe, ist und bleibt Wladolf Putler Präsident der Russischen Föderation. 

Kinners, damit hat wohl niemand gerechnet.