wilde perspektiven

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Sonntag, 28. Juni 2015

Vom Amur an die Ems

"Darf ich mich vorstellen?

Mein Name ist Schrenckii.

Elaphe schrenckii!

Ich esse Mäuse in einem Stück, nicht pürriert.

Wenn euch das mit dem Namen zu kompliziert ist, dann dürft ihr mich auch einfach Amurnatter nennen.

Der Sudendey hat mich und meine Kollegen in einem naturnah gestalteten Garten im Norden der niederländischen Provinz Drenthe aufgestöbert. Er hat uns genervt, angegrabbelt, ewig lange mit Glanz in den Augen bestaunt und am Ende auch noch für seinen bescheuerten Blog fotografiert.

Immerhin, das hat er gut hinbekommen:

Russian Rat Snake (Russische Rattenslang), province Drenthe, The Netherlands – this adult specimen belongs to an alien population in the Dutch province of Drenthe, that was founded by released or escaped individuals approximately 20 years ago. Since then Russian Rat Snake has thrived and extended her range a bit. Actually this species is native to the Far East (Mongolia, China, Siberia, North- and South Korea).

All pictures (except for the owl) taken on two days in late June in one single place. Many thanks for giving me the opportunity to watch and photograph the amazing wildlife in his beautiful and wild garden go to kind and sympathatic Popko van der Molen!

Dass wir, meine Sippschaft und ich, in diesem Garten und dessen näherer Umgebung leben, hat der Sudendey natürlich nicht selbst herausgefunden und schon gar nicht zu verantworten. Wie auch, wo er doch zuvor nicht ein einziges Mal hier gewesen ist. Er hat die nötigen Informationen aus dem Netz. Denn unsere kleine Amurnatter-Population lebt bereits seit Mitte der Neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts im Nordosten der Niederlande und erfreut sich unter Hobby-Herpetologen in Teilen Europas immer größer werdender Beliebtheit.

Viel ist in der Vergangenheit über unsere Herkunft spekuliert worden. Sind unsere Vorfahren einem Halter entkommen, hat sie jemand vorsätzlich ausgesetzt? Haben die Tiere die lange Reise von Ostsibirien oder Korea nach NL etwa aus eigener Kraft bewältigt?

Letzteres ist total absurd und natürlich von niemandem ernsthaft in Erwägung gezogen worden!

Hier ein Bild von meinem Sohn, der sich auf einem Reisighaufen sonnt:




this individual still shows his juvenile pattern and was born in 2014 

Und hier ist er fotografiert worden (im Vordergrund erkennt man Bestände des Jakobsgreiskrautes [siehe unten]):

habitat of young Rat Snake

Heute ist der Tag der Tage. Ich erzähle euch, wie es damals wirklich war. 

Meine inzwischen verstorbene Ur-Großmutter ist nämlich seinerzeit dabei gewesen, als es losging. Bis ins letzte Detail hat sie mir auf dem Sterbestein die Geschichte erzählt, die ich nun euch erzählen möchte. Ich denke, ich brauche nichts zu befürchten. Und weil ich hier in der Nähe von Groningen das Licht der Welt erblickt habe, bin ich in Besitz der begehrten niederländischen Staatsbürgerschaft. Man kann mich also nicht einmal abschieben. Und überhaupt, ich bin doch gar nicht verantwortlich für diese ganze Kacke!

same specimen

Bas de Jong* aus Groningen, so berichtete meine Ur-Großmutter, bekam mit vierzehn von seinen Eltern eine hübsche Amurnatter geschenkt. Nach langem Quengeln. Was beide nicht ahnten: Das Tier, es handelte sich dabei um meine Ur-Ur-Großmutter, war zum Zeitpunkt des Kaufs hochschwanger. Bas staunte also nicht schlecht, als sich an einem Morgen Ende September 1992 nicht mehr nur eine Amurnatter im Terrarium befand, sondern gleich sieben!

Das war umso erstaunlicher, weil Bas von einer Eiablage, die Wochen zuvor stattgefunden haben musste, überhaupt nichts mitbekommen hatte. Er schob das auf das geräumige und naturnah eingerichtete Terrarium, das den Blick in so manche Ecke verwehrte.

Als Schüler konnte Bas sich diesen Schlangen-Zuwachs und die daraus resultierende Kostenexplosion nicht leisten. Mehr Futter, weitere Terrarien und so weiter. Und seine Eltern hatten ihm bereits vor der Schenkung klargemacht, dass es bei diesem einen Tier bleiben müsse. Während er also die Jungschlangen fasziniert betrachtete, fasste der traurige Bas einen Entschluss, der ihm wahrlich nicht leichtfiel. Der Nachwuchs musste weg!

same (note the moskito trying to suck lekker snake blood)

Der Markt war gesättigt, niemand würde ihm die Amurnattern abnehmen, und töten konnte er die Tiere natürlich auch nicht. Ihm fiel ein verwildeter Garten in der Nähe der Stadt ein, den ihm mal ein Freund gezeigt hatte. Dort gab es Ringelnattern. Und Ringelnattern und Amurnattern, das wusste Bas, sollten gut miteinander auskommen. 

Entschlossen verstaute er die Jungschlangen in einem Leinenbeutel, um gegen Sonnenuntergang das elterliche Haus zu verlassen. Als er am Zielort eintraf, war es bereits stockfinster. Trotzdem sicherte Bas noch einmal nach allen Richtungen. Erst dann öffnete er den Beutel. Meine Urgroßmutter, so erzählte sie es mir selbst, sei als letzte in die Freiheit gekrochen. Sie sei sofort in den Spalten eines großen Steinhaufens verschwunden, wie zuvor schon ihre fünf Geschwister. 

"Ich wünsche euch alles Gute", murmelte Bas mit gemischten Gefühlen in die Dunkelheit, bevor er sich mit seinem Fahrrad auf den Heimweg begab.

Weil ihm das Schicksal der Schlangen nicht gleichgültig war, kehrte Bas immer wieder zum Tatort zurück. Täter, gleich welcher Couleur, machen das. Im Herbst 1994, also zwei Jahre nach der Aussetzung der Amurnattern, fand der junge Schlangenfreund zu seiner Überraschung die ersten neugeborenen Indivduen. Erst eine, dann zwei, und am Ende waren es sogar neun. Für einen Augenblick bekam Bas es mit der Angst zu tun, weil ihm klar war, dass es sich bei seiner Aktion nicht mehr nur um eine Bagatelle handelte.

Auf der anderen Seite beruhigte er sich in Gedanken selbst. Niemand hat mich damals gesehen, dachte er, und was sollen diese Tiere hier schon anrichten..."

Viel Schlange auf wenig Bild:



same adult – adults of this population show a high variation in pattern and coloration. Unfortunately I only found three snakes with the "classic" appearance, but there are patternless and brownish individuals as well

Hier fand ich sie:

old snake's castle (there was a second, unusually shy individual) 

Aus heutiger Sicht und in diesem speziellen Fall könnte man dem Jungen, der inzwischen erwachsen und klüger geworden ist, Recht geben. Aber so einfach darf man es sich nicht machen. Denn so faszinierend und spannend es auch sein mag, die Entwicklung einer solchen Population in ihrem neuen Lebensraum zu verfolgen, so falsch ist es eben auch, exotische Tiere in einem fremden Gebiet auszusetzen.

Bis heute hat es unglaublich viele Beispiele von so genannter Faunenverfälschung gegeben. Weltweit. Mal geschah es versehentlich und schon vor Jahrhunderten (z. B. asiatische Wanderratte, heute ein Kosmopolit), mal mit voller Absicht. Und oft hatten Jäger ihre Finger im Spiel, weil sie die Zahl der jagdbaren Tiere vor der eigenen Haustür strecken wollten (z. B. Fasan und Damhirsch in Europa, Eur. Wildkaninchen und, ganz übel, Rotfuchs in Australien).

"Unordnung" gebiert Artenvielfalt:

habitat of Russian Rat Snake in a garden in the northeasternmost tip of The Netherlands

Oft ist alles gut ausgegangen – soll heißen, kein heimisches Tier ist verdrängt worden –, manchmal kam es zur Katastrophe. Doch so schwer die Folgen auch waren und sind, die bestimmte Tierarten an ihrem neuen Standort verursacht haben mögen, ohne die tatkräftige Unterstützung des Menschen wäre es nie so weit gekommen. Nur er allein ist also für viele ökologische Katastrophen verantwortlich.

Der ursprünglich nordamerikanische Bisam zum Beispiel hat in Europa keine ökologischen Probleme verursacht. Er ist voll etabliert und eigentlich auch nicht mehr aus unserer Landschaft wegzudenken. Und sein rasanter Aufstieg begann erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als in Böhmen die ersten Tiere ausgesetzt wurden. Kaum ein anderer Fremdländer dürfte sich in so kurzer Zeit über einen ganzen Kontinent ausgebreitet haben wie dieser. 

Der ebenfalls aus Nordamerika stammende Mink (Amerikanischer Nerz) hatte dem Anschein nach auch keine Zeit zu verlieren. Sein Vordringen auf dem falschen Kontinent aber soll der Hauptgrund für das fast restlose Verschwinden des ihm unterlegenen Europäischen Nerzes in Europa sein, neben der Jagd und einer fortschreitenden Lebensraumzerstörung.

stone pile without Russian Rat Snake (that day), but instead I found this sweety basking in the sun:

a released Corn Snake (Korenslang)

Eine ausgesetzte Kornnatter:


I love to do portraits! Most snake species have these beautiful and expressive large eyes

Und in einigen Fällen sind auch Schlangen die Hauptdarsteller gewesen. Allerdings außerhalb Europas. Ein bekanntes Beipiel ist der asiatische Tigerpython, der im Süden Floridas ein ganzes Ökosystem ins Wanken gebracht hat.

Ein weiteres ist die Braune Nachtbaumnatter, die wahrscheinlich gegen Ende des Zweiten Weltkrieges durch US-Truppen nach Guam verschleppt wurde. Dort konnten sich die Tiere mangels Konkurrenz innerhalb kürzester Zeit stark vermehren, was zum Aussterben von gleich zehn von zwölf auf der Insel heimischen und zum Teil endemischen Vogelarten geführt hat. Die übrig gebliebenen zwei sind auch bereits stark vom Aussterben bedroht. Angeblich leben auf Guam mindestens 5000 Nachtbaumnattern pro Quadratkilometer, was jenseits meiner Vorstellungskraft liegt!

Ein drittes Beipiel ist die ursprünglich aus Kalifornien stammende Kettennatter, die sich in den letzten Jahren auf Gran Canaria breitgemacht hat (siehe hier: klick). Dort stellt sie eine ernsthafte Bedrohung vor allem für endemische Reptilienarten wie die Gran-Canaria-Rieseneidechse dar. Wie im Falle der niederländischen Amurnattern geht diese Schlangen-Population auf ausgesetzte oder entkommene Individuen zurück. Bezeichnenderweise weist ein großer Teil der Tiere Farb- und Zeichnungsanomalien auf. Vor der Ankunft der Kettennatter auf Gran Canaria hatte es auf dem gesamten Archipel keine Schlangen gegeben!

Wahrscheinlich Geflecktes Knabenkraut:

likely Heath Spotted Orchid on early morning (waarschijnlijk Gevlekte Orchis)

Grundsätzlich birgt das Aussetzen gebietsfremder Tiere (und auch Pflanzen!) ein hohes Risiko in sich. Nie lässt sich vorhersagen, in welche Richtung sich so eine Gechichte entwickeln wird. Viele werden das nicht gerne lesen, aber es geht schon mit der Hauskatze los, die z. B. auf Inseln nichts verloren hat. Auf Juist oder Helgoland hat es nie Beutegreifer gegeben, weshalb dort viele seit jeher am Boden oder in Klippen brütende Seevögel nichts zu befürchten hatten. Dann bringt Kollege Mensch seinen Streichelzoo mit und stellt alles auf den Kopf.

Im Naturgarten bei Groningen würde ich persönlich keine nachhaltigen Probleme erwarten. Ob die Amurnattern dort eine nestjunge Amsel essen oder gleich fünf, dürfte sich kaum auf den Bestand eines der in unsreren Breiten häufigsten Vögel auswirken. Ähnlich verhält es sich mit diversen Nager-Arten. Und obwohl die Schlangen dort ihr kleines Areal mit den Jahren etwas erweitern konnten, will ich nicht daran glauben, dass sie irgendwann einen auf Nilgans machen und in ganz Mitteleuropa vorkommen werden.

Großer Klappertopf:

Greater Yellow-rattle (Grote Ratelaar)

Die Amurnatter gehört in die heterogene Gruppe der Kletternattern. Vergleichsweise nah verwandt ist sie zum Beispiel mit der auch in Südost-Europa vorkommenden Vierstreifennatter oder der Äskulapnatter, die sogar noch mehrere isolierte Vorkommen in Deutschland besitzt. All diese Arten, auch die nordamerikanischen Vertreter Erd- und Kornnatter, können beim Ergreifen zwar durchaus mal zubeißen, aber grundsätzlich zeichnen sie sich nach meinen eigenen Erfahrungen durch ein vergleichsweise ruhiges Temperament aus. Sie bewegen sich eher gemächlich und bleiben bei Annäherung eines Menschen oft liegen statt geräuschvoll zu fliehen, wie es zum Beispiel Zornnattern der ehemaligen Gattung Coluber tun.

Und auch hinsichtlich ihrer Physiognomie und Größe ähneln die verschiedenen Kletternattern einander sehr. 

Natürliche Vorkommen der Amurnatter gibt es übrigens in der Mongolei, in China, auf der Koreanischen Halbinsel sowie in Sibirien, wo sie eventuell auch heute noch dem Amurleoparden tief in die Augen schauen könnte. Die anpassungsfähige Schlange besiedelt dort eine Vielzahl verschiedener Lebensräume und ist, je nach Breitengrad, etwa sechs bis acht Monate im Jahr aktiv. Sie ernährt sich vor allem von Kleinsäugern und (nestjungen) Vögeln.

Jakobskrautbär:

Cinnabar Moth (Sint-Jacobsvlinder)


Und fast zum Abschluss soll nicht unerwähnt bleiben, dass es in den Niederlanden drei bodenständige Schlangenarten gibt. Wie in Deutschland sind Ringelnatter, Schlingnatter und Kreuzotter dort aber sehr lückenhaft verbreitet und fehlen über weite Strecken ganz. Grund dafür ist hüben wie drüben vor allem der durch uns Menschen verursachte Lebensraumverlust.

In Ostfriesland kommt als einzige Schlange die Kreuzotter vor. Das ist schön und gut, und ich weiß das auch zu schätzen. Doch wenn man die Chance bekommt, mal eine andere Art im Freiland zu beobachten und zu fotografieren (und in die Hand zu nehmen!), ohne eine allzu lange Strecke zurücklegen zu müssen, dann sollte man sie auch beim Schopfe ergreifen.

Mr. Goldeneye:

likely a Pool Frog, definitely no Marsh Frog (waarschijnlijk Poelkikker)

Auf jeden Fall handelt es sich um einen Grünfrosch spec. (wahrscheinlich ist es ein Kleiner Teichfrosch, definitiv aber kein Seefrosch).

Schon vor zwei Jahren hatte ich einen Kurztrip zu den Amurnattern geplant, doch damals war mir was dazwischen gekommen. Jetzt hat es geklappt, und es hat sich wirklich gelohnt. Es waren wieder einmal zwei schöne und aufregende Tage für mich.

Merksatz: Diese Tiere sind nämlich superschön!

Leider muss man einen riesigen Umweg in Kauf nehmen, wenn man von Emden nach NL fahren möchte. Der Dollart hat sich einem einfach in den Weg gelegt. Breit und flach wie eine riesige Pizza, die keiner essen mag. Erst fährt man also sinnloserweise dreißig Kilometer in die falsche Richtung, dann wieder dreißig Kilometer bis zur Grenze, die keine mehr ist. Und erst ab diesem Punkt schreibt man schwarze Zahlen und kommt wirklich voran.

Möglicherweise eine Zuchtform des Wiesenstorchschnabels:

Geranium spec.

Liebe Politiker, warum gibt es immer noch keinen Emstunnel, der mich doch in zehn Minuten von Emden nach Delfzijl führen könnte? Oder eine geile Brücke wie jene, die Schweden und Dänemark miteinander verbindet? Warum kann man den verfickten Dollart nicht einfach zuschütten? Ich meine, das muss doch möglich sein, wenn ich sehe, was wir Menschen allein in den letzten zweihundert Jahren schon alles erreicht haben.

Sumpfblutauge:

Purple Marshlocks (Wateraardbei)

Über den Garten, in dem all diese Bilder an nur zwei Tagen aufgenommen worden sind, gibt es natürlich auch noch was zu berichten.

Die meisten Menschen bevorzugen es steril mit kurz geschnittener Rasenfläche und sauber arrangiertem Blumenbeet. Doch wenn man der arg gebeutelten Natur einen Gefallen tun und ihr etwas zurückgeben möchte, dann gibt es eben auch den Weg, den Popko van der Molen eingeschlagen hat. Mit viel Liebe zum Detail hat er eine Oase geschaffen, die wahrscheinlich kaum mehr zu toppen ist.

Mehrere Teiche (mit Ringelnattern!) hat er angelegt, ebenso viele Stein-, Holz- und Reisighaufen. Wenn man diesen Garten erkundet, weiß man gar nicht, wo man zuerst schauen soll. Weil ich faul bin, habe ich meine Kamera samt Rucksack und Stativ einige Male irgendwo abgelegt, und dann musste ich schnell zurücklaufen, weil ich wieder etwas entdeckt hatte, das ich unbedingt in Bildern festhalten wollte.

In und auf den Reisighaufen zum Beispiel fand ich nicht nur die junge Amurnatter, sondern auch diese hübsche Goldwespe, die ich leider nicht bis auf Artniveau bestimmen kann. Es gibt da nämlich sehr viele einander sehr ähnliche Arten:

brightly colored member of the family Chrysididae (Goudwesp spec.)

Trockenmauern bieten Versteckmöglichkeiten für viele seltene und natürlich auch häufige Tierarten:

dry stone walls offer shelter to a large variety of common and  rare species

Wie mir Popko van der Molen versicherte, benötigt sein Garten wenig Pflege. Dafür aber bietet er ihm und all seinen interessanten Mitbewohnern eine ganze Menge Lebensqualität, die man für kein Geld der Welt erstehen könnte und nach der man anderswo vergeblich suchte, wenn man ein Freund der Natur ist.

Nicht nur in den Niederlanden.

Dieser große und großartige Garten ist eine echte Oase in unserer ausgeräumten Landschaft, in dem sich auch ein scheues Alpaka und zwei Ponys wohlfühlen.

Dieses hier schaute mir interessiert bei meiner aufregenden Arbeit zu:

thoughts of a curious Horse: What is this strange guy doing there? 

Ich muss nochmal auf den Jakobskrautbär (auch Blut- oder Karminbär genannt) zurückkommen:



Und zwar, weil es für mich das erste Jahr überhaupt gewesen ist, in dem ich Falter und Raupe zur selben Zeit und nebeneinander feststellen konnte. In all den Jahren davor sah ich von Mai bis Juni die bunten Falter und im Anschluss daran, meist durch mehrere Wochen voneinander getrennt und erst im Juli, die ebenso bunten Raupen. Und die Falter dachten am Wochenende auch noch gar nicht daran, ihre Flugsaison zu beenden, denn ich sah gleich mehrere Paarungen. Vielleicht hat die ungewöhnlich lang anhaltende Kälte den Alterungsprozess der Tiere gebremst.

Was lehrt uns das? Ihr müsst euch in die Gefriertruhe legen, wenn ihr ewig jung bleiben möchtet! 

Hier naschen die Raupen an ihrer Hauptfutterpflanze, dem Jakobs-Greiskraut (beachte unterschiedliches Alter der Tiere):

beautiful caterpillar of same species on same day feeding on Common Ragwort (note different age)

Die ebenfalls bereits oben gezeigte Kornnatter hat jemand ausgesetzt. Doch im Gegensatz zu den Amurnattern wird sie sich ganz bestimmt nicht im Garten fortpflanzen. Auch dann nicht, wenn man eine zweite hinzufügen würde.

Die Kornnatter ist pflegeleicht und attraktiv und deshalb eine der weltweit am häufigsten gehaltenen Schlangen. Ursprünglich stammt sie aus dem heißen Südosten der USA. In einem Teil ihres Verbreitungsgebiets (Südflorida) ist es ganzjährig so warm, dass die Schlange auf eine Überwinterung verzichten kann. Im Norden ihres Areals, vor allem in den Appalachen, muss die Kornnatter zwar eine Winterruhe einlegen, zum Teil auch mehrere Monate, doch kann sie auch dort auf heiße und lange Sommer bauen.

Und genau die sind in Mitteleuropa die absolute Ausnahme. Und daran wird auch die so oft zitierte Klimaerwärmung nichts ändern. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.

Hübsch ist die Schlange trotzdem:






Sie hat eine tolle Zeichnung und eine tolle Färbung!

Wenn man die Kornnatter aber in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet, dann stellt man unweigerlich fest, dass diese so auffällig wirkende Schlange am Waldboden ausgezeichnet getarnt ist. Farbe und Zeichnung fügen sich nämlich perfekt ein in ein Mosaik aus trockenem und buntem Laub, wie man es im Buschland im Südosten der USA überall finden kann.

Kuckuck:


Vor Antritt meines kleinen Wochenendausfluges hatte ich eine Übernachtung eingeplant, aber Gott sei Dank noch nicht gebucht!

Denn es war die erste wirklich laue Sommernacht in diesem Jahr, die ich ich ganz spontan draußen im niederländischen Outback verbringen wollte. Ich patrouillierte mit einer Taschenlampe und in kurzen Klamotten eine kilometerlange Sandpiste entlang, auf der ich mir die Knoblauchkröte erhoffte.

Das sollte nicht klappen, doch als ich gerade in meinem Auto saß, um mir ein Mitternachtsmahl zu gönnen (es gab Spekulatius und Fladenbrot und Mineralwasser), kam auf einmal ein Polizeiauto auf mich zugerast.

Oh nein, so dachte ich, was geschieht hier jetzt?

Wie mir die zunächst noch mit Bestimmtheit auftretenden Polizisten versicherten, hatte mich jemand denunziert. Da läuft einer rum, der sich komisch verhält und so weiter. Wenn man im Outback spaziert und nach Getier sucht, den Blick immer gesenkt, um den Boden zu scannen, dann fällt das den Menschen auf. Denn dann ist man anders. Wenn sich das Ganze auch noch nachts abspielt und ein auswärtiges Autokennzeichen im Spiel ist, dann muss man das auch melden dürfen.

In der Türkei und in Rumänien ist mir das in der Vergangenheit auch schon passiert, doch im Gegensatz zu damals zeigten sich die niederländischen Beamten sehr schnell sehr viel sachlicher. Heute kann man natürlich auch sofort belegen, was man macht, und bereits geschossene Bilder auf seiner Kamera präsentieren. Heute muss man nicht erst einen verfickten Film zum Entwickeln wegbringen und drei Tage auf die Resultate warten. Die Zeit hat man in so einer Situation einfach nicht. Im Rumänien der Neunziger Jahre noch weniger als in den Niederlanden.

Wie sich hinterher herausstellte, treibt sich seit einigen Wochen ein Psychopath in der Gegend herum, der im Schutze der Nacht Pferde massakriert. Ein Pferderipper, wenn man so will. Und ich zeigte natürlich Verständnis für die Kontrolle, zumal die Polizisten jetzt wirklich sehr freundlich und sympathisch waren. Drei Beamtenteams, so erzählten sie mir schließlich im Vertrauen und mit einem Schmunzeln im Gesicht, hatten mich zuvor stundenlang gesucht ;-)

Übrigens riefen während des Gesprächs mit den Polizisten die ganze Zeit über junge Waldohreulen im Hintergrund. Ich hatte mich nach dem Vorfall mit der Polizei kaum wieder ins Auto gesetzt, um mein Nachtmahl in Ruhe zu beenden, da landete eine unmittelbar vor mir auf einem Pfosten. Ich schaltete das Fernlicht ein und schoss ein paar Bilder, die wegen der langen Verschlusszeiten (zehntel Sekunde) und der schmutzigen und vor allem gebeugten Windschutzscheibe allesamt unscharf geworden sind.

Weil es aber eine lustige Beobachtung war, möchte ich dieses Foto nicht vorenthalten:









Long-eared Owl (Ransuil) – photo not sharp, because taken through the front window of my car and without flash, but with the upper beam headlights of my vehicle

Das vorletzte Foto dieses Reiseberichtes zeigt eine Packung Spekulatius in ihrem natürlichen Lebensraum:


my main food source while herping NL

In Deutschland ist dieses Gebäck ausschließlich Teil der Weihnachtsindustrie, während man Spekulatius in den Niederlanden das ganze Jahr über kaufen kann. Okay, wirklich weit sind wir hier auch nicht mehr davon entfernt, taucht das so genannte Weihnachtsgebäck doch alljährlich und immer wieder überraschend schon im August in den Auslagen unserer Supermärkte auf, wenn es draußen noch hochsommerlich warm ist.

Auf er anderen Seite gibt es keinen Grund dafür, im Sommer auf Spekulatius zu verzichten!

Letzte Frage: Wieso gibt es eigentlich keine Fotos von den zwei Ringelnattern, die ich im Garten beobachten konnte?

Ich leistete mir den Luxus des Verzichts, weil sich beide Weibchen kurz vor der Häutung befanden. Es sind von Emden aus nur gut hundert Kilometer bis zum Schlangenparadies jenseits der Grenze. Irgendwann werde ich also ganz bestimmt einen zweiten Versuch starten und dann hier ausführlich darüber berichten.


Zum Schluss noch schnell eine kleine Anekdote:

Auf dem Rückweg überholte ich auf der Autobahn einen Geländewagen mit, wie in den Niederlanden üblich, gelbem Kennzeichen. Doch als ich auf Augenhöhe war und kurz hinüberblickte, lehnte der Kopf des Fahrers mit offenem Mund gegen die Scheibe.

Er schlief!

Das gibt es doch gar nicht, dachte ich geschockt, und schnell weg hier, dachte ich weiter, gleich schert der Wagen aus und dann bin ich tot! Gott sei Dank warf ich aber noch rasch einen zweiten Blick hinüber und erkannte, dass es sich um ein Auto aus dem Vereinigten Königreich handelte. Die haben nämlich hinten auch gelbe Kennzeichen, vorne aber ein weißes oder schwarzes. Und auf der rechten Seite saß dann auch tatsächlich jemand, der offenbar noch bei Bewusstsein war.

* Name frei erfunden, wie auch die Geschichte. Aber so oder so ähnlich könnte es sich zugetragen haben ;-)