Sonntag, 10. Juli 2016

Rotbraunes Ochsenauge

Guten Tag, liebe Menschen!

Mit dem Gewinn der Fußball-Europameisterschaft hat es leider nicht geklappt. Unsere Mannschaft hat gegen die Franzosen gut gespielt, aber unglücklich verloren. Das kann passieren, das ist nicht schlimm. 

Das Finale heute Abend werde ich mir jetzt aber nicht mehr ansehen. Und wem ich die Daumen drücken soll, Portugal oder eben Frankreich, weiß ich auch nicht so recht. Ganz diplomatisch bin ich der Meinung, der Bessere möge gewinnen.

In den USA hat man derweil andere Sorgen. Wieder sind zwei Schwarze durch Polizisten, die sich nicht selten für Götter halten, hingerichtet worden. Polizeikontrollen sind im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine heikle Sache. Für die Kontrollierenden ebenso wie für die Kontrollierten. Ich weiß, worüber ich schreibe!

Jedenfalls ließ die Antwort nicht lange auf sich warten. In Dallas hat nun ein selbst ernannter Rächer fünf weiße Polizisten aus dem Hinterhalt erschossen, bevor er selbst auf bizarre Weise sein Leben ließ. Nach einer Pressemitteilung der Polizei der Stadt habe man in dessen Wohnung gleich ein ganzes Waffenarsenal gefunden.

Mein erster Gedanke: Das ist da drüben jetzt aber nicht so ungewöhnlich.


Tiere sind friedlich. Wenn sie töten, dann nur, um zu überleben. 

Heute geht es wieder um einen Falter. Auch er kennt natürlich keine brachiale Gewalt. Na ja, Schmetterlinge machen ja nicht einmal Lärm und unter ihnen geht es grundsätzlich sehr friedlich zu. Manchmal gibt's unter Konkurrenten was auf die Mütze, aber das war's dann auch schon. 


Darf ich also vorstellen, das Rotbraune Ochsenauge:




male Gatekeeper

Diese Art ist anspruchsvoll und in Ostfriesland sehr selten. Wahrscheinlich kommt sie hier nur in den Mooren vor. Eigentlich ist sie mir sogar nur vom Ewigen Meer her bekannt, wo sie zurzeit die Wege auf und ab fliegt.

Es sind die Männchen, die eine Partnerin suchen. Auch das abgebildete Tier ist ein Kerl, wie man an den so genannten Duftschuppen-Flecken auf den Vorderflügeln sofort erkennen kann. Ein Weibchen habe ich bislang noch nie gesehen.


Doch der Reihe nach.

Als ich am Samstag (9. Juli 2016) früh morgens in Tannenhausen ankam, blieb ich noch eine ganze Zeit im Wagen sitzen. Es war noch weit vor Sonnenaufgang und deshalb einfach noch viel zu dunkel, um nach Kleinlebewesen im Pfeifengras zu suchen. Ich wartete also noch bis fünf Uhr. Auch, weil ich noch schnell die Nachrichten hören wollte.

In größerer Entfernung standen zwei Rehe auf dem Weg. In noch größerer Entfernung zwei Damhirsche. Während die Rehe an Ort und Stelle verweilten, kamen die Hirsche plötzlich näher. Sie schlossen zu den Rehen auf, weil sie sich mal ihren kleineren Cousinen vorstellen wollten.

Voll die Serengeti am frühen Morgen:


Roe Deer and Fallow Deer together on early morning

Eine ganze Weile standen sie dort herum.

Die Rehe, darunter ein melanistisches Tier, verschwanden schließlich auf der angrenzenden Wiese. Die Hirsche blieben noch und schauten sogar kurz zu mir herüber.

Witzig, wie der rechte Kollege (aus meiner Sicht) seinen Hals nach rechts streckte (aus seiner Sicht), um elegant am Gebüsch vorbeigucken zu können.

Guten Morgen:

Später dann trotteten die Damhirsche den Rehen hinterher und verschwanden im hohen Gras. Nur ihre Geweihe ragten aus dem Pflanzenfilz hervor. Die Distanz zu den Tieren war jetzt aber noch viel größer als zuvor, weshalb ich meine Kamera wieder im Rucksack verstaute.

In der Vergangenheit habe ich immer mal wieder Damwild im Wald südlich des Moores gesehen. Meist beim Überqueren eines Weges und aus sehr großer Distanz. Flüchtige Begegnungen sind es immer gewesen, weil diese Tiere sehr scheu sind. Am Samstag sah ich sie das allererste Mal außerhalb des Schutz bietenden Waldes. Ich bin mir aber sicher, dass sie ihn noch während des Morgens wieder aufgesucht haben.

Wann genau man in diesem Gebiet die ersten Damhirsche ausgesetzt hat, ist mir nicht bekannt. Warum man es getan hat, ist nicht schwer zu erraten. Es gibt nämlich Menschen, die beim Anblick eines solchen Geweihträgers mehr als nur Freude empfinden. Das schnöde Reh ist als Jagdbeute ein Nichts gegen so einen Kaventsmann, dessen Kopfschmuck man sich in diesen Kreisen gerne an die Wohnzimmerwand hängt.


Ich machte mich auf den Weg und suchte einen Bereich im Gebiet auf, an dem ich einige Tage zuvor einen Bestand der Moorlilie entdeckt hatte:

pretty Bog Asphodel

Wie das Rotbraune Ochsenauge ist auch diese Art auf die Moore beschränkt und in Ostfriesland eine echte Rarität. Wo gedüngt wird, verschwindet sie auf der Stelle und leider auch ohne einen Aufschrei der Empörung.

Weil die Moorlilie aber an ihren Standorten meist in Gruppen wächst, ist es nicht einfach, ein einzelnes Individuum aus der Masse herauszulösen.

Trotzdem habe ich es versucht.

Und im Detail sehen die Blütenstände so aus:



Sehr ansprechend finde ich die Kombination aus gelb gefärbten Blütenhüllblättern und orangefarbenen Staubbeuteln. Das sieht schon richtig hübsch aus.

Nachdem ich die Blümchen im Kasten hatte, suchte ich schnell einen anderen Ort auf. Eile war geboten. Es ist der ewige Wettstreit mit der Sonne, die inzwischen aufgegangen war und mir im Nacken saß.

Ein Wespenbussard  flog über mich hinweg, doch hatte ich noch das Makroobjektiv an der Kamera montiert. Die schlechten Belegfotos erspare ich euch lieber.

Wenig später befand ich mich ganz in der Nähe des Abelitzschlootes auf einem Weg, der noch im Schatten lag und mit einer faustdicken Überraschung aufwarten konnte:




Large Checkered Skipper

Ich entdeckte dort nämlich gleich mehrere Spiegelfleck-Dickkopffalter, die im taunassen Gras auf die wärmenden Sonnenstrahlen warteten.

Nie zuvor hatte ich diesen kleinen und attraktiven Falter am Ewigen Meer gesehen. Später am Tag sollte sich herausstellen, dass er dort alles andere als selten und nahezu im gesamten Moor zu finden ist. Weil ich eigentlich nicht blind bin, habe ich dafür nur eine Erklärung: Ich muss dieses Moor in den vergangenen Jahren zur Flugzeit des Spiegelflecks gemieden haben.

Und das wiederum deshalb, weil ab Anfang Juni die Zeit der Regen- und Goldaugenbremsen beginnt. Ab Ende Juni kann man es im Moor kaum noch aushalten, doch genau dann schlüpft der Spiegelfleck aus der Puppe. Weil aber seine Flugzeit sehr kurz ist und nur bis Ende Juli währt, kann man diesen Falter durchaus verpassen, wenn man mal ein paar Wochen aufs Moor verzichtet.

Dass ich tatsächlich nie zuvor zu dieser Jahreszeit am Ewigen Meer gewesen bin, belegt letztendlich auch die oben gezeigte Moorlilie. Es war das erste Mal, dass ich diese Blume zu Beginn ihrer Blütezeit vorgefunden habe. In all den Jahren zuvor hatte ich diesen Moment verpasst und ausschließlich Individuen entdeckt, deren Blütenstände bereits zum größten Teil verblüht waren.


Neben dem Spiegelfleck fand ich auf diesem Weg auch noch das Große Ochsenauge:

Meadow Brown

Es sieht dem Rotbraunen Ochsenauge recht ähnlich, ist aber im Gegensatz zu diesem ein Massenartikel, der nahezu überall fliegt, wo es Gräser gibt, und dem selbst die öden Deiche als Lebensraum genügen.

Wie die seltenere Art hat auch das Große Ochsenauge einen Augenfleck auf den Vorderflügeln:

same

Hier sind es sogar anderthalb bis zwei!

Insegesamt aber ist dieser Falter deutlich blasser und unauffälliger gefärbt. Selbst das Orangebraun auf der Flügeloberseite besitzt nicht die Leuchtkraft eines Rotbraunen Ochsenauges.

Das wiederum sieht mit zusammengefalteten Flügeln so aus:


Gatekeeper

Seht ihr, ganz anders.

Sowohl Farben als auch Zeichnung stimmen nicht mit dem Rotbraunen Ochsenauge überein.

Aus der Nähe:

Hinzu kommt, dass dieses Tier etwas kleiner als das Große Ochsenauge ist.

Na ja, irgendeine Bedeutung muss dessen Name ja auch haben.

Ein anderes Männchen:

different male 

Die zwei weißen Punkte auf den Hinterflügeln fehlen dem Großen Ochsenauge.


Und ein anderes Männchen mit ausgebreiteten Schwingen:

different

Das Bild entstand in der Sonne, doch auch um neun Uhr fand ich immer noch Bereiche, die im finsteren Schatten lagen.

An einem Weg ganz in der Nähe des Torfwerkes in Münkeboe zum Beispiel machte ich das folgende Foto:

Ringlet

Dabei handelt es sich um einen Gelbringfalter für den armen Mann.

Es ist der omnipräsente Braune Waldvogel, wegen seiner insgesamt eher düsteren Erscheinung auch Schornsteinfeger genannt. Diese Art ist noch häufiger als das oben gezeigte Große Ochsenauge. Und der Schorsteinfeger hat, wie so viele andere Insekten auch, eine große Vorliebe für Brombeergebüsche.

Dort kann man auch den nächsten Kandidaten finden:

male Large Skipper

Es ist der Rostfarbige Dickkopffalter.

Auch dieser Winzling fliegt nicht nur im Moor in großer Zahl.  Er ist in Ostfriesland eine gängige Erscheinung.


Jetzt die Preisfrage (statt des Merksatzes): Was haben all die hier und heute vorgestellten Schmetterlinge gemein?

Ihre Raupen ernähren sich ausschließlich von Gräsern!

Meist beinhaltet ihr Nahrungsspektrum gleich mehrere Arten. Im Falle des Spiegelflecks sind das zum Beispiel die Waldzwenke, das Sumpfreitgras, das Blaue Pfeifengras und sogar das allbekannte Schilf!

Darüber hinaus besuchen all diese Arten gerne die Blüten der Brombeere. Diese sind grundsätzlich sehr beliebt, doch so furchtbar viele Alternativen gibt es im Moor natürlich auch nicht. Immerhin konnte ich alle fünf Falter-Arten auch an Gemeinem Gilbweiderich und an Glockenheide saugen sehen. 


Nachem ich schließlich alle gewünschten Schmetterlinge fotografiert hatte, kehrte ich noch einmal zu den Moorlilien und somit zum Ausgangspunkt meiner Wanderung zurück:

Bog Asphodel

Ein Baumfalke, der einen Wanderfalken aus seinem Revier vertrieb und heftig attackierte, ein junger Eisvogel, einige Birkenzeisige und diverse bereits wieder wegziehende Limikolen wie Kampfläufer, Bruchwasserläufer und Waldwasserläufer sowie ein fescher Fuchs rundeten diesen Tag ab.

Einer Kreuzotter begegnete ich übrigens nicht! Diese geile Schlange führt im Sommer ein sehr verstecktes Leben.

Dafür tauchte ganz zum Schluss noch einmal der Wespenbussard auf und winkte mir mit seinen langen Schwingen aus luftigen Höhen zu.


Was gab es noch?

Am Mittwoch (6. Juli 2016) bekam ich zwei Bilder zugeschickt:


Catoptria permutatella (photgraph taken by Klaus Rettig/Emden)

Diesen Falter, es handelt sich dabei um einen Vertreter aus der Familie der Zünsler, konnte Klaus Rettig auf seiner Toilette fotografieren. Catoptria permutatella – der Artname hat nichts mit einer bekannten Haselnusscreme zu tun – ist auch in Norddeutschland weit verbreitet und gebietsweise sehr häufig. Zwar habe ich diesen Falter hier in Ostfriesland noch nie gesehen, aber im Landkreis Osnabrück dafür um so häufiger.

Einen Steckbrief zu diesem Falter ließ mir der Kollege aus dem Herrentorviertel auch gleich noch zukommen:


Und als ich ihn sah, musste ich wirklich schmunzeln!

Klaus hat über sehr viele Jahre und in echter Eigenregie eine Schriftenreihe herausgebracht (Beiträge zur Fauna und Flora Ostfrieslands), die er nun leider aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste.

Ich selbst habe das Schmökern in diesen Heften immer genossen, weil sie so vielseitig waren und mir hin und wieder Tier- und Pflanzenarten näherbrachten, die ich zvor kaum beachtet hatte.

Jedenfalls nicht so richtig.

Ein echtes Charakteristikum dieser Schriftenreihe waren die handschriftlichen Anmerkungen und Notizen des Autors, wie man sie oben sehen kann.

Weil Klaus neuere Technik, wie etwa den Computer, bis heute konsequent ignoriert, ließ mir sein Schwiegersohn Dieter diese Bilder per E-Mail zukommen.

Besten Dank dafür!