Donnerstag, 3. November 2016

Bergpieper

Im Landkreis Osnabrück hatte ich früher nicht oft, aber immer mal wieder das Vergnügen, einem Bergpieper zu begegnen.

Vor allem am Alfsee und dort ganz besonders am so genannten Absetzbecken. Aber auch die Fledderwiesen bei Bramsche-Hesepe waren im Winterhalbjahr immer mal wieder für die eine oder andere Beobachtung gut.

Seit ich in Ostfriesland wohne, sind nur noch wenige Feststellungen hinzugekommen.

Bis zum heutigen Donnerstag waren mir hier fast alle Bergpieper im Dunstkreis der Moore und Moorweiden am Ewigen Meer über den Weg geflogen. Dort dürfte die Art ein seltener, aber wohl alljährlicher Wintergast sein. 

In Emden hatte ich zuvor nur ein einziges Mal das Glück, einen Bergpieper zu entdecken. Und zwar im Dezember 2009, als ich unbeabsichtigt ein Individuum am Rande eines der Gewässer im Wybelsumer Polder aufscheuchte.


Heute (3. 11. 2016) besuchte ich am frühen Nachmittag wieder einmal den Emsstrand. Ich sah mehr Spaziergänger als Vögel. Neben einigen Sanderlingen, die bei Hochwasser am Spülsaum nach Nahrung suchten, und  einem Trupp Bartmeisen in den an den Strand angrenzenden Schilfflächen konnte ich aber immerhin noch drei Strandpieper ausfindig machen. 

Ich kehrte um und machte mich auf den Weg zu einer Hecke, die sich östlich des Gassco-Geländes befindet. Ich hatte es auf rastende Kleinvögel abgesehen, doch außer einigen Rotkehlchen und Zaunkönigen, einer einsamen Heckenbraunelle, diversen Rotdrosseln und Amseln war in den Büschen absolut nichts los. 

Wenige Minuten später erreichte ich diesen Entwässerungsgraben am Rande eines Ackers:

a ditch at Rysumer Nacken – habitat of two Water Pipits (on migration) and several Meadow Pipits 

Mehrere Wiesenpieper flogen vor mir auf, als ich die Böschung betrat.

Und mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung dann auch noch zwei Bergpieper!

Letztere gingen am Ende des Grabens wieder runter. Die Vögel landeten auf der steilen Böschung, wo sie sich rasch in der dichten Krautschicht versteckten, um dort nach Nahrung zu suchen. 

Witzig, so dachte ich ganz nebenbei, beide Arten, also Strand- und Bergpieper, so unglaublich dicht beieinander, aber doch wieder räumlich voneinander getrennt. Die Distanz zwischen den beiden Beobachtungsorten Strand und Graben beträgt gerade mal einen knappen Kilometer.

Doch die Habitatansprüche dieser einst als Wasserpieper zusammengefassten Arten könnten kaum unterschiedlicher sein. Und das sowohl im Brutgebiet als auch in den Winterquartieren. Der Strandpieper brütet an felsigen Küsten Nord- und Westeuropas (mindestens einmal auch auf Helgoland), der Bergpieper u. a. in Mittel- und Südeuropa oberhalb der Baumgrenze auf alpinen Wiesen.   

Im Winter bevorzugt der Strandpieper ebenfalls den unmittelbaren Küstenbereich. Salzige Luft und felsiger Grund sind für ihn (fast immer) unverzichtbar. Daher sein passender englischer Name Rock Pipit! Entsprechend kann man diesen Vogel als Wintergast aus Norwegen und Schweden und so weiter im Deichvorland zwischen Upleward und Pilsum beobachten, wo er sich vor allem auf dem Deckwerk an der Wasserkante aufhält. Den Deich überfliegt er nur, wenn er muss. Zum Beispiel dann, wenn sich sein Lebensraum als Folge einer Sturmflut vorübergehend unter Wasser befindet. Am Emsstrand ist es zwar salzig, aber es fehlt der felsige Untergrund, weshalb man den Strandpieper dort nur ab und zu beobachten kann und nie in so großer Zahl wie an der künstlichen Felsküste der Krummhörn.

Rrrrrüülpps – sorry, ich habe gerade eine halbe 1,5-Liter-Pulle Mineralwasser getrunken. Mit viiiiiiiel Kohlensäure.

Der Bergpieper hingegen verlässt im Herbst seine montanen Brutgebiete und fliegt zum Überwintern regelmäßig in die Niederungsgebiete Norddeutschlands, alljährlich sogar bis nach Schleswig-Holstein. Als ein Vogel mit einer sehr stark ausgeprägten Salzwasser-Allergie bevorzugt er kleine und größere Gewässer abseits der unmittelbaren Küste, wie etwa überschwemmte Äcker und Wiesen, nicht selten aber auch Entwässerungsgräben. Die Uferbereiche des Ems-Ästuars meidet er dagegen wie der Teufel das Weihwasser. 

Deshalb habe ich immer so meine Zweifel, wenn auf Ornitho ein Bergpieper aus Salzwasserhabitaten gemeldet wird. Ich gehe dann immer von Verwechslungen mit dem Strandpieper aus, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren. Ein einziges Belegfoto würde mich schon überzeugen. 

Aus den hier genannten Gründen dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese beiden nahe miteinander verwandten Arten jemals unter natürlichen Bedingungen im Freiland begegnen, sehr gering sein. Ich gehe sogar davon aus, dass der Bergpieper nicht einmal von der Existenz des Strandpiepers weiß.

Und umgekehrt.


Einer der Bergpieper von heute Nachmittag:










record shot of a Water Pipit at Rysumer Nacken – this species is a rare but probably annual winter visitor to Ostfriesland. Wintering Water Pipits's luck depends on the availablility of freshwater habitats. Since I have moved to this northwesternmost tip of Germany I've had only few encounters with this species. Most of these birds I have seen at shallow water bodies like bogs and flooded meadows near Aurich

Ist ein Suchbild, ich weiß, aber die Vögel waren sehr scheu und aufmerksam!

Ihr könnt mir glauben, viel lieber hätte ich bessere und aussagekräftigere Fotos von dieser so hübschen Art geschossen. Die Bergpieper zeigten eine enge Bindung an diesen Graben. Es wäre leicht gewesen, sie mit Mehlwürmern anzufüttern. Aber an einer so steilen Böschung hätte ich mein Tarnzelt beim besten Willen nicht errichten können. Ich wäre bestimmt samt Versteck und Kamera ins Wasser gerollt. An einer größeren Pfütze mit flachem Ufer dagegen hätte ich ganz bestimmt sehr gute Chancen auf schöne Bilder gehabt.

Aber man kann einfach nicht immer gewinnen.

Falls ihr den Vogel auf dem Bild da oben nicht gefunden haben solltet, gibt's jetzt noch eine zweite Chance in Form einer Ausschnittvergrößerung:

same

Und schließlich ein Flugbild, das die in Kombination mit anderen Merkmalen diagnostische Schwanzzeichnung und -färbung zeigt:

same

Beim insgesamt viel düsterer gefärbten und verwaschener gezeichneten Strandpieper wären die Schwanzaußenkanten grau und nicht leuchtend weiß. Zusätzlich kann man auf dem Foto die sich dunkel vom Rest des Flügels abhebenden Mittleren und Großen Armdecken erkennen. Beim Strandpieper existiert dieser Kontrast nicht.

Leider habe ich von dieser Art kein Flugbild, aber einige von stehenden Vögeln, die sehr schön die oben genannten Merkmale, zum Beispiel das recht düstere Erscheinungsbild, illustrieren:

Water Pipit's close relative, the Rock Pipit, is a common visitor to Ostfriesland (four images taken from the archives). In contrast to the Water Pipit he is found exclusively in saltwater habitats, where he forages even at the edges of tidal mudflats. Because of completely different habitat requirements both species are almost never found at the same location

Noch eins:

different

Ein weiteres::

same as first

Und ein letztes für heute, das an einem nebligen und frostigen Morgen enststand und einen Strandpieper mit orangefarbenen Schnabel zeigt.

Vielleicht handelt es sich hier um einen Vogel im ersten Kalenderjahr:

a third specimen with orange bill (maybe a 1st calendar year bird)


Viele weitere Fotos vom Strandpieper, allesamt von mir im November 2014 in der Krummhörn aufgenommen, findet ihr hier: klick!

Übrigens ist auf Ornitho bereits eine Woche zuvor (27. 10. 2016) ein Bergpieper für Emden gemeldet worden.

Und zwar vom Flugplatz, aber leider anonym...

Inzwischen konnte ich den Vogel deutlich besser fotografieren.

Hier findet ihr also die Teile 1 und 2.