Sonntag, 3. September 2017

Märchenhafte Südheide

"Mama, wir gehen gleich noch nach draußen, ja?"

"Wo wollt ihr denn hin, es ist halb sieben und noch dunkel?"

Gretel war erstaunt.

Seit Jahren schon und beinahe täglich machte sie zusammen mit ihrem Bruder einen ausgedehnten Morgenspaziergang durch den Wald, in dessen Mitte ihr Elternhaus stand. Und jetzt tat ihre Mutter so, als sei es an diesem Sonntagmorgen das allererste Mal. 

"Mama, wir gehen jeden Tag nach draußen. Und immer nach dem Frühstück, weil es dann noch so schön ruhig und erholsam ist. So langsam solltest du das aber wissen."

Gretel schmunzelte.

"Aber zum Mittagessen seid ihr zurück!" antwortete die Mutter, während sie gleichzeitig mit dem Zeigefinger der rechten Hand nachdrücklich auf ihre Armbanduhr klopfte. 

Gretel verdrehte die Augen: "Mama, sind wir auch nur ein einziges Mal zu spät gekommen?"

Die Mutter schüttelte verhalten ihr Haupt. 

"Was gibt es denn zum Mittag?" fragte Gretel, um die ganze Situation etwas zu entspannen.

"Pizza!" rief die Mutter triumphierend, weil sie ganz genau wusste, dass das das Lieblingsessen ihrer wohlgeratenen Kinder war.


Der Wald:

dark forest at Unterlüß – natural habitat of Hänsel and Gretel 

Gretel stürmte die Treppe hinauf und eilte ins Zimmer ihres Zwillingsbruders, der am Rechner saß und noch schnell ein paar Mails checkte. 

Gut gelaunt verließen sie nur wenige Minuten später das Haus. Es war angenehm frisch an diesem frühen Morgen im März. Ein männlicher Sperlingskauz sang aus einem dichten Fichtenbestand heraus in die etwas nebelige Windstille hinein. Jetzt, im Frühjahr, balzte er sich einen Wolf.

Hänsel und Gretel lauschten ihm kurz, um dann ihren Spaziergang fortzusetzen. Und nach ein paar Kilometern erreichten sie eine Bank, die einst von einem reichen Unternehmer aus Unterlüß gestiftet worden war. Sie setzten sich und schwiegen eine Weile.

"Hast du die Zigaretten dabei?" fragte Hänsel nach einer gefühlten Ewigkeit.

Gretel kramte aufgeregt in ihrer Tasche.

"Hier", sie hielt ihm die geöffnete Packung hin. "Wenn Mama wüsste, dass wir rauchen", fügte sie nachdenklich und etwas schuldbewusst hinzu. 

"Ach", Hänsel machte eine wegwischende Handbewegung, "die raucht doch selber ab und zu."

"Waaas?" 

Gretel tat erstaunt, obwohl sie natürlich wusste, dass sich ihre Mutter in unregelmäßigen Abständen in ihr fast immer abgeschlossenes Bügelzimmer zurückzog und wenig später wieder auftauchte und dann einen roten Kopf bekam, wenn jemand sie auf den plötzlich wahrnehmbaren Duft nach Tabakrauch aufmerksam machte. 

Hänsel schmunzelte, weil er natürlich wusste, dass Gretel alles wusste. Und Gretel wiederum ließ ihre Mutter in dem Glauben, absolut nichts von ihrem heimlichen Laster zu erahnen.

Und so saßen Hänsel und Gretel, also eigentlich Gretel und Hänsel (die Frau kommt doch immer zuerst) mitten im Wald bei Unterlüß auf einer hölzernen Bank und rauchten um die Wette. 


"Guck mal", flüsterte Hänsel plötzlich, "da hinten geht die Tatjana."

Tatsächlich war da in größerer Entfernung eine Frau auf einem sandigen Weg zu sehen. Sie trug einen Weidenkorb in ihrer Rechten und ein rotes Käppchen auf ihrem blonden Haar. Immer wieder knickte sie um, weil die Absätze ihrer ebenfalls roten Schuhe einfach zu hoch waren für den nachlassenden, also einfach unzuverlässigen Untergrund.

"Die Arme", zeigte Gretel Mitleid mit der flüchtigen Bekannten, "sie muss sich um ihre Großmutter kümmern, obwohl sie eigentlich so eine Frohnatur ist und lieber von morgens bis abends feiern würde. Aber die Alte ist bettlägerig und hat sonst keine Verwandten. Zumindest keine, die in der Nähe wohnen. Und vielleicht springt für die Tatjana ja auch etwas dabei heraus. Es wäre ihr zu wünschen."

Nach jeweils zwanzig Zigaretten beendeten Gretel und Hänsel ihre halbstündige Pause auf der Bank. Langsam, fast etwas unentschlossen, machten sie sich auf den Rückweg. Diesmal wählten sie aber einen anderen Pfad, weil Hänsel der Meinung war, dass etwas Abwechslung niemals schaden könne.

An diesem Weg stand nur ein einzelnes Haus. Es wurde bewohnt von der Familie Geiss. Robert Geiss war bereits verstorben, Herzattacke und so weiter, doch seine etwas merkwürdig spreschende Witwe Carmen kümmerte sich liebevoll um die sieben Kinder, denen es an nichts mangelte.

Auch jetzt, als Gretel und Hänsel am Haus vorbeikamen, ließen die sieben Geißlein ihrer jugendlichen Lebensfreude freien Lauf. Sie spielten Verstecken. Während Hänsel sich eine weitere Zigarette anzündete und sich teilnahmslos gab, sah Gretel durch das weit geöffnete Wohnzimmerfenster, dass das jüngste Geißlein in eine geräumige Standuhr kletterte und die Türen von innen zuzog.

Besser geht es nicht, zollte Gretel in Gedanken Respekt, da wird dich niemand finden. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

"Und, wie war der Spaziergang?" fragte die Mutter ihre beiden Kinder nach deren Rückkehr.

"Ach, Mama, wie immer", sagte Gretel, "es ist einfach nur schön, am frühen Morgen reichlich frische Luft zu tanken."

Sie bekam einen Hustenanfall, während Hänsel demonstrativ die Nase hob  und im Raum herumschnüffelte. Die Pizza, das hatte er bereits beim Hereinkommen gesehen, stand schon auf dem Esszimmertisch. Heiß dampfend und mit zahlreichen Kerzen geschmückt.

"Was sollen denn die Kerzen auf der Pizza?"

Und da fing die Mutter an zu singen: "Happy Birthday to you, happy und so weiter..."

"Ich wünsche euch beiden alles Gute zum Geburtstag. Ich liebe euch, ihr seid alles, was ich habe. Ein Leben ohne euch könnte ich mir gar nicht mehr vorstellen."

Gleichzeitig drückte sie ihre beiden Kinder, denen vor Rührung die Tränen in die Augen traten. Doch plötzlich löste sich die Mutter von ihrer Brut und eilte in den Keller. Mit einem großen Karton kehrte sie ins Esszimmer zurück. Sie stellte ihn neben die Pizza auf den Tisch.

"Da, für euch!" brachte sie nur mühsam hervor, weil sie so furchtbar angespannt war.

Gretel und Hänsel rissen das bunt verzierte Geschenkpapier auf, dann den Karton. Zum Vorschein kamen hundert Stangen Zigaretten, allesamt ohne Steuerbanderole und wohl über finstere Kanäle aus Polen oder Tschechien nach Unterlüß gelangt.

"Für jedes Lebensjahr eine Stange. Mal zwei, das sind dann hundert", ließ die Mutter ganz spontan ihr mathematisches Wissen aufblitzen.

Eine Stunde später sah Tatjana auf ihrem Rückweg von der kranken Großmutter in der Ferne Rauchwolken aufsteigen. Genau dort, wo sich das Haus von Gretel und Hänsel befinden musste. Entsetzt kramte sie ihr I-Phone hervor und rief Feuerwehr, Polizei und Ambulanz.

Dass es sich bei den Schwaden nur um Zigarettenrauch handelte, konnte sie nicht wissen.


Ein Wacholderhain bei Oberohe: 

a wood of Common Juniper at Südheide

Ich war also ein paar Tage in der Südheide.

Und zwar vom 20. August bis zum 2. September 2017.

Unterwegs war ich dort zwischen den Ortschaften Faßberg, Unterlüß und Eschede.

Vor Antritt dieser Reise hatte ich mir einiges vorgenomen und auch einen kleinen gedanklichen Wunschzettel erstellt. Ein Wunsch hat allerdings nicht zwingend etwas mit der Realität zu tun. Ich sah also keinen Luchs, keinen Sperlingskauz, keine Rote Röhrenspinne.

Der Luchs ist erst wenige Male in der Heide beobachtet worden, da konnte ich wirklich nichts erwarten. Der Sperlingskauz befindet sich im August sozusagen zwischen den Jahren. Die Brutsaison ist längst beendet, die Herbstbalz hat noch nicht begonnen. Bis in den Oktober hinein führt diese kleinste Eule Europas eine sehr versteckte Lebensweise.

Und die Rote Röhrenspinne konnte ich trotz intensiver Suche einfach nicht finden, obwohl ich in Gebieten unterwegs war, in denen sie vorkommt. Man muss hier einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das ist mir nicht gelungen, obwohl ich insgesamt bestimmt hundert Kilometer zurückgelegt habe. Zu Fuß, wohlgemerkt, und auf sandigen Heidewegen.

Da die Südheide aber ein aus ästhetischer und naturkundlicher Sicht herausragendes Stück Niedersachsen ist, wurde ich trotzdem reich beschenkt.

Gleich am Tag der Ankunft fand ich z. B. eine Schlingnatter am Hausselberg:






































Smooth Snake

Sie ist so eine Art heimliche Heidekönigin. Doch in diesem Gebiet sollte es die einzige Schlange bleiben.

Schling- und Ringelnatter hatte ich mir übrigens auch gewünscht, und zwar ganz einfach deshalb, weil sie in Ostfriesland nicht vorkommen und ich sie lange nicht gesehen hatte.

Die Landschaft am Hausselberg ist einfach nur schön:






































Vor allem am frühen Morgen, wenn die Sonne die Stämme der Kiefern in ein warmes Rotbraun taucht.

Das sah wirklich so aus!

Den Gipfel des Hausselbergs habe ich übrigens schon am zweiten Tag gemeistert. Bis dahin war mir nicht bewusst gewesen, dass ich das Talent zum Bergsteigen habe. Ich werde mich noch heute Abend beim Deutschen Alpenverein anmelden müssen. Die haben dort bestimmt so eine Abteilung, die sich ausschließlich um herausragende Talente im Ü-50-Bereich kümmert. Ich meine, diese neu gewonnene Euphorie muss doch für irgendwas gut sein. 

Mit einer Höhe von sage und schreibe 118 Metern ist der Hausselberg so etwas wie der K2 der Südheide. Wenn man ganz oben steht, kann man ganz weit gucken. In Ostfriesland bekommt man eine solche Gelegenheit nicht. Die höchsten Erhebungen hier sind ein Sandhaufen in einer Auricher Grube und der Friesenhügel in Emden.

Auf meinem beschwerlichen Weg zum Gipfel fand ich dort auch die erste Zauneidechse der Reise:

Sand Lizard 

Diese in Ostfriesland nur auf einigen Inseln vorkommende Art war auf allen Heideflächen, die ich besuchte, erfreulich häufig! Ich sah auch zahlreiche Jungtiere, die sich oft wenig scheu zeigten. Das hier vorgestellte Tier war allerdings adult.

Ein Portrait:

same

Weil ich am Hausselberg keine Röhrenspinne fand, versuchte ich es in der Oberoher Heide, also nur wenige Kilometer weiter östlich.

Dort sollte es in dieser einen speziellen Disziplin auch nicht klappen, doch zwei andere Spinnen, die ich mir schon so lange gewünscht hatte, krabbelten mir hier glücklicherweise über den Weg:

young Raft Spider – almost a lifer

Endlich, die geile Gerandete Jagdspinne!

Mit ihren halbtransparenten grünlichen Beinchen, den weißen Zierstreifen auf den Flanken und der sportlichen Figur ist sie eine sehr ansprechende Erscheinung, wie ich finde. Hinzu kommt, dass diese Art zu den größten einheimischen Spinnen gehört. Immerhin zwei halbwüchsige Tiere konnte ich auf den Blättern von Brombeere und Zitterpappel finden.

Dasselbe Individuum:

same

Die langjährige erfolglose Suche in Ostfriesland war auf einmal vergessen. Es ist mir jetzt auch egal, ob sie hier vorkommt oder nicht.

Ich habe sie gesehen, und nur das zählt!

Das gilt auch für die nächste Art:

female Strawberry Spider– a lifer!

Es ist die ebenfalls sehr attraktive Sumpfkreuzspinne:

same

Sie zu finden, ist wirklich eine kleine Herausforderung.

Ich suchte unweit des Parkplatzes an der Oberoher Heide auf einem Wacholderhain nach der Schlingnatter. Jetzt, Ende August, war es bereits sehr herbstlich, sogar noch viel herbstlicher als in früheren Jahren, und so lagen schon überall herabgefallene trockene Blätter herum. Vor allem die der Moorbirke. Viele dieser Blätter waren sogar zusammengerollt, wohl allein verursacht durch den Prozess des Austrocknens.

Doch dann sah ich ein eingerolltes Eichenblatt, das dicht über dem Boden frei im Raum zu schweben schien. Ich nahm es ganz vorsichtig in die Hand und spürte, dass es festgesponnen war. Mit bloßem Auge hatte ich die Fäden gar nicht gesehen, auch nicht das kleine Radnetz, das sich neben dem Blatt und unmittelbar über dem Erdboden befand.

Jetzt war ich mir fast sicher, der Sumpfkreuzspinne auf die Schliche gekommen zu sein. Ganz vorsichtig hob ich das nach unten gerichtete offene Ende des Blattes an, um einen Blick ins Innere werfen zu können. Und tatsächlich leuchtete es im hintersten Winkel orange auf!

Die Sumpfkreuzspinne, auch Erdbeerspinne genannt, zeigt sich bei Tage niemals in der Öffentlichkeit. Es sei denn, da verfängt sich jemand im Netz. Ansonsten muss man eben auf diese scheinbar frei schwebenden trockenen Blätter in der Bodenvegetation achten. Sie dienen der Spinne als Versteck, werden von ihr zusammengerollt und zu einem Viertel auch versponnen.

Die Sumpfkreuzspinne hängt dieses Gebilde zwischen den Gräsern auf und errichtet zuvor oder danach das kleine Fangnetz in unmittelbarer Nachbarschaft und direkt überm Boden. Dieses Netz ist, wie bei vielen verwandten Arten, über einen Signalfaden mit dem Versteck verbunden. Dort, im obersten Winkel der Blatttüte und von außen nicht sichtbar, wartet die hübsche Sumpfkreuspinne dann geduldig auf fette Beute.

Ich habe nachgeholfen und eine kleine Fliege ins Netz geschubst:

second

Es dauerte ein wenig, bis sich Madame Strawberry blicken ließ.

Wahrscheinlich war der Hunger nicht so groß. Doch nach einigen langen Minuten polterte sie geradezu aus ihrem Versteck hervor, hielt kurz inne, um die exakte Herkunft der Signale zu orten, um dann auf die Fliege zuzustürmen und sie einzutüten:

Und so sah das Blatt aus, in dem sich eine zweite Spinne versteckte.

Diesmal handelte es sich um eines der Amerikanischen Traubenkirsche:

dry leaf as a hide for the female Strawberry Spider

Auch das Netz kann man hier ganz gut erkennen. Es ist im Allgemeinen kaum größer als die Hand eines Erwachsenen.

Viele Kreuzspinnen-Arten nutzen trockene Blätter als Versteck. Die allbekannte Gartenkreuzspinne z. B. ebenso wie die Marmorierte Kreuzspinne und auch die Vierfleck-Kreuzspinne. Doch während die genanten Arten nur gelegentlich ein trockenes Blatt zweckentfremden, ist dieses Verhalten bei der Sumpfkreuzspinne obligatorisch.

Ein letztes Bild vom ersten Weibchen, das hier nicht ganz freiwillig und ausnahmsweise zu Fotozwecken völlig ungeschützt in der Vegetation herumkletterte:




one more time the first specimen

Die Angaben über die Häufigkeit der Sumpfkreuzspinne gehen in der Literatur weit auseinander.

Mal wird sie als selten bezeichnet, dann wieder als recht häufig, aber aufgrund ihrer versteckten Lebensweise als schwer nachweisbar.

Fakt ist, dass ich trotz intensiver Suche nur drei Individuen finden konnte. Zwei in Oberohe, eines bei Eschede.

Heide-Impressionen:

beautiful landscape on early morning

Alle Bilder entstanden am frühen Morgen:

Auf solchen sandigen Wegen stieß ich immer wieder auf die Blauflügelige Ödlandschrecke, die in der Lüneburger Heide einen Verbreitungsschwerpunkt für Norddeutschland besitzt.

Meist sieht man Männchen, die sich auf der Suche nach einem passenden Weibchen befinden:


Blue-winged Grashopper is surprisingly common at Lüneburger Heide
 
Diese vor allem südeuropäische Art besiedelt in Deutschland ausschließlich unbewirtschaftete Brachflächen und kommt in Ostfriesland natürlich nicht vor. Auf den Inseln könnte sie sich wohlfühlen, doch die sind für das kleine Tier natürlich nicht erreichbar.

Mal sehen...

Das einzige mir bekannte niedersächsische Vorkommen westlich der Weser befindet sich auf dem Flugplatz Vörden (Kreis Vechta) und geht sehr wahrscheinlich auf eingeschleppte oder gar ausgesetzte Tiere zurück.

In der Heide ist die Blauflügelige Ödlandschrecke stellenweise so häufig, dass man sie kaum mehr wahrnimmt.

Ein zweites Tier aus der Nähe:



second specimen

Von vorn:

same

Die Blauflügelige Ödlandschrecke kann ihre Farbe zwar nicht ständig wechseln wie ein Chamäleon, doch passt sie sich im Laufe ihres Lebens an den Untergrund ihres Lebensraumes an.

Mal ist sie eher bräunlich, mal grau. je nach Bodenverhältnissen. In jedem Fall aber ist diese Art durch Färbung und Zeichnung ausgezeichnet getarnt, sodass man sie aus den Augen verlieren kann, wenn man auch nur kurz zur Seite blickt. Und das selbst dann, wenn sie sich nicht bewegt hat und immer noch direkt vor der Kamera steht.

Ein drittes Tier:


another specimen

Auch als Heuschrecke muss man ab und zu etwas essen.

Ödlandschrecken sind Vegetarier. Wie kleine Heidschnucken sorgen sie dafür, dass die offenen Flächen nicht zuwachsen und ihren Wert verlieren.

Hier der Beweis:


eating

Nur mit dem mittleren Beinpaar und den Flügelspitzen stützte sich die Heuschrecke ab, während sie am Heidekraut naschte.

Ich musste unweigerlich an den Mittelmeerraum denken, an diese Ziegen, die sich mächtig strecken, um auch noch das letzte Grün in einem Olivenbaum zu erreichen.

Common Juniper

Der gute alte Wacholder ist in der Südheide allgegenwärtig!

Oft kam ich mir wie in einem Skulpturenpark vor. Man kann sagen, kein Baum gleicht dem anderen. Manche Wacholder sind niedrig und weit ausladend, andere wachsen schlank und rank gen Himmel wie eine Mittelmeer-Zypresse am Südhang des Ätna.

Die Waldkiefer ist der zweite Baum, der die Heideflächen vielerorts zu Buschland macht:

Scots Pine 

Am Ortsausgang von Unterlüß steht dieses Schild:

Es weist still und leise darauf hin, dass es jederzeit ganz plötzlich ganz laut werden kann.

In Unterlüß und einigen anderen Dörfern und Städtchen ist quasi das ganze Jahr Silvester. Nur an den Wochenenden herrscht absolute Stille. Der Grund für den Lärm sind militärische Übungen und Munitionstests, wie sie z. B. vom Rüstungskonzern Rheinmetall auf betriebseigenen Erprobungsflächen durchgeführt werden. 


Viel Lila – die Heide ist ein treuer Fan des VfL Osnabrück:









Ich war überrascht von den Menschenmassen, die dem Anschein nach ihren Urlaub in der Südheide verbringen.

Der Tourismus war an vielen Orten genauso stark ausgeprägt wie in Ostfriesland. Und ich kann die Leute gut verstehen, denn die Landschaft dort ist wohl einzigartig in Deutschland und einfach wunderschön. Scheinbar unendliche Wälder wechseln sich ab mit Heide- und Moorgebieten. Natürlich gibt es auch Agrarsteppe und Maisanbau, aber grundsätzlich scheinen die wertvollen Flächen miteinander vernetzt zu sein, sodass sich auch Populationen von Tierarten, die nicht fliegen können, miteinander im Austausch befinden.

Das gilt vor allem für Amphibien und Reptilien, aber auch für viele andere Tiere, die ich hier heute vorstelle. Denn selbst wenn z. B. ein Kommafalter fliegen kann, so wird er es doch unterlassen, für ihn ungeeignete Flächen, wie etwa Maisfelder und Ackerland, zu überqueren, um vielleicht irgendwann auf ein Gebiet zu stoßen, das ihm wieder zusagt.

Die meisten Auswärtigen  besuchen die Region übrigens im August, weil dann die Heide blüht. Oft sieht man dann ältere Damen mit einem selbst gepflückten Strauß in der Hand und einem Lächeln im Gesicht zum Parkplatz gehen. Und schlimm finde ich das nicht, denn die Flächen müssen so oder so offen gehalten werden, wenn man verhindern will, dass viele seltene Tier- und Pflanzenarten für immer verschwinden.

Eine erholsame Pause in schönem Ambiente kann allerdings auch nie schaden:



tourism is an important source of income for many regions in Germany. In August thousands of people visit Lüneburger Heide to see the beautiful flowering heath

Der immense Wert der gesamten Lüneburger Heide liegt vor allem darin, dass dort in weiten Gebieten nicht gedüngt und gespritzt, also keine Landwirtschaft betrieben wird. Die Verhältnisse dort kann man gut mit jenen auf den ostfriesischen Inseln vergleichen.

Auch die großen militärischen Übungsflächen bei Munster und Bergen spielen hier aus demselben Grund eine große Rolle. Sie stellen z. B. ein Refugium sogar für die in Deutschland an nur drei oder vier Orten vorkommende Heideschrecke dar, die ich leider nicht finden konnte.

Immerhin hüpfte mir ihr großer Bruder vor die Linse:

female Wart-biter 

Der Warzenbeißer ist wärmeliebend und kommt z. B. im atlantisch geprägten westlichen Niedersachsen nicht vor. In der Südheide kann man ihm immer mal wieder begegnen. Dieses schmucke Weibchen fotografierte ich in der Oberoher Heide, unweit des Parkplatzes.

Der Warzenbeißer ist gedrungen, bullig und schwerfällig. Vielleicht kann man ihn vergleichen mit einem Diego Maradona im Spätstadium. Oder mit einem massigen Helikopter mit zwei Rotoren, bei dem man sich nicht vorstellen kann, dass er überhaupt fliegen kann.

Das krasse Gegenstück zum Warzenbeißer ist die elegante und scheinbar aus Balsaholz gefertigte Gemeine Sichelschrecke, die wie ein Ultraleichtflugzeug daherkommt. Sie ist erst in jüngster Zeit aus dem warmen Süden in die Lüneburger Heide eingewandert und besiedelt dort vor allem windgeschützte, mit einem besonderen Kleinklima ausgestattete Bereiche:


male Sickle-bearing Bush-cricket – this thermophile species has expanded her range the recent years from the south to the north

Insgesamt fand ich etwa 20 Individuen in der Oberoher Heide.


Dasselbe Tier in Dorsalansicht:


same

Die Art ist ein sehr guter Flieger.

Für abrupte Richtungswechsel reicht es allerdings nicht, denn als Heuschrecke ist man schließlich keine Libelle. Inzwischen soll diese zarte Art sogar auf dem Weg nach Ostfriesland sein. Immerhin hat man sie bereits im Raum Oldenburg festgestellt. Und auch Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern konnten in der jüngeren Vergangenheit die Ankunft der Gemeinen Sichelschrecke vermelden. Ich bin gespannt, ob und wann sie die Inseln erreichen wird. Dort, auf mageren Sandböden, dürfte sich die Sichelschrecke besonders wohlfühlen.

Vielleicht mit Sonnenbrille im Strandkorb.

Uups, wessen Antennen lugen denn da so vorwitzig hinter dem Fruchstand eines Spitzwegerichs hervor?

who was playing hide and seekwith me?

Es sind die Fühler eines Kommafalters, wie dieses Bild von der Seite verrät:

Silver-spotted Skipper

Die Raupen dieser Art ernähren sich von so genannten nichtproduktiven Gräsern wie etwa Borstgras oder Schafschwingel, die ausschließlich auf mageren Standorten vorkommen und aus Sicht der Landwirtschaft unerwünscht sind, weil sie nicht als Viehfutter genutzt werden können.

Entsprechend kann man den Kommafalter nur auf sandigem Ödland antreffen, wo es offene Bodenstellen gibt und eben auch die oben genannten Gräser. Mir ist diese seltene Falter-Art vom Flugplatz Achmer (Landkreis Osnabrück) her bekannt, wo ich sie früher auch einige Male bei der Eiablage beobachten konnte.

In Ostfriesland findet man das anspruchsvolle Tier nur noch auf einigen Inseln.

Common Redstart

Der Vogelzug war während meines Aufenthaltes in der Südheide schon in vollem Gang.

Viele Schafstelzen und Baumpieper zogen nach Südwest. Auch Braunkehlchen und Gartenrotschwanz (Foto) waren nahezu überall zu sehen.

Das Bild entstand an einem nebeligen Morgen. Ein paar Minuten später war die Luft schon ein wenig klarer:


same

Dieser junge Neuntöter war kein Durchzügler.

Er stammte aus dem Gebiet und hielt sich dort stets im Dunstkreis eines stark frequentierten Wanderweges auf, wo er zuvor bestimmt auch das Licht dieser Welt erblickt hatte:

juvenile Red-backed Shrike

Zusammen mit drei Geschwistern.

Von Mama war nichts mehr zu sehen. Vielleicht hatte sie sich schon auf den Weg nach Afrika gemacht. Der Nachwuchs war ohnehin schon völlig selbstständig, ließ es sich aber trotzdem nicht nehmen, den noch anwesenden Papa immer mal wieder um Futter anzubetteln.

Doch der zeigte sich eher distanziert.

Der Eisvogel war überall, wo es Wasser gab, mindestens zu hören:

Common Kingfisher (taken from the archives)

Das Bild stammt allerdings aus dem Archiv und zeigt einen echten Ostfriesen.

Und hier, am Rande der Oberoher Heide, trieben sich gleich mehrfach fünf Eisvögel gleichzeitig herum, vielleicht eine Familie:


former kieselgur pit

Es handelt sich bei diesen Gewässern um ehemalige Kieselgur-Gruben, wie man sie in Deutschland vor allem in der Lüneburger Heide finden kann.

Einfach mal googeln.

Dort stand auch eine Moorbirke, die zahlreiche Tiere mit gärendem Baumsaft versorgte:

at least 150 Red Admirals and several Hornets were attracted by fermented sap

Es roch ekelhaft, aber einige Hornissen, diverse Fliegen, ein Rosenkäfer sowie mindestens 150 Admirale gaben sich widerstandslos dem Vollrausch hin.

Die Herbstspinne war nahezu überall häufig:

Metellina segmentata, one of the most common spiders in fall

Als sehr angenehm empfand ich übrigens auch die allgegenwärtigen Kolkraben, deren Rufe ich so toll finde. Wenn man am ganz frühen Morgen unterwegs ist und diese beeindruckenden Vogel über einer von Bodennebel bedeckten Heidefläche einen Waldrand entlangfliegen, meist paarweise, dann hüpft einem das Herz vor Freude.

Also so sah das dann aus, nur ohne Kolkis:


Oder so:

Schön, oder?

Wie die meisten Menschen meiner Generation bin ich nämlich ohne Kolkraben aufgewachsen.

Die Truppenübungsplätze in der Südheide waren für diese so rücksichtslos verfolgten Tiere lange Zeit ein letztes Refugium in Niedersachsen. Glücklicherweise ist der Kolkrabe inzwischen auch wieder ein Brutvogel Ostfrieslands. So häufig wie in Ostniedersachsen wird er hier aber wohl niemals werden.

Es gibt nämlich Menschen, die das zu verhindern wissen.

Ohne Worte:

Deus does not exist. So why this message?

Am Ortseingang von Eschede wird man so begrüßt!

Ich hoffe doch nicht, dass wir hier irgendwann amerikanische Verhältnisse bekommen. Das wäre beängstigend. Mit etwas Glück aber wächst der Ast oben rechts künftig noch schneller, um schließlich das Plakat und vor allem dessen sinnfreie Botschaft komplett zu bedecken.

Ich besuchte die Loher Fischteiche und auch die benachbarten Aschauteiche, die sich ein paar Kilometer außerhalb von Eschede befinden, weil ich mir dort die Ringelnatter erhoffte. Nachdem ich mein Auto am Straßenrand geparkt hatte, spazierte ich den Damm zwischen zwei Teichen entlang. In Zeitlupe, meinen Blick immer auf den Boden gerichtet. Keine hundert Meter hatte ich zurückgelegt, da fand ich auch schon ein diesjähriges Individuum mitten auf dem Weg.

So sah es aus:






juvenile Grass Snake

Leider war das Licht an diesem ungewöhnlich schwül-heißen Tag (28 Grad, mindestens 200 Prozent Luftfeuchte) sehr schlecht. Finstere Wolken am Himmel verhießen nichts Gutes. 

Und wenn der Regen an diesem Tag am Ende auch ausblieb, wirklich gute Bilder wollten mir nicht gelingen, obwohl ich unter einer Plane, die jemand am Rande eines Gebüsches entsorgt hatte, noch eine adulte Ringelnatter fand:

adult specimen 

Erstaunlicherweise entdeckte ich in diesem Gebiet später auch noch eine Schlingnatter, die ich dort gar nicht erwartet hatte. Es war ein Jungtier, das sich zwischen zwei Teichen "sonnte". Weil es so unglaublich klein war, noch kleiner als die junge Ringelnatter da oben, verzichtete ich aber auf Bilder. 

Dafür gibt es noch eines von der Ringelnatter: 

same

Wer mal in der Gegend ist, dem empfehle ich auch einen Spaziergang durch dieses Teichgebiet. 

Neben normalen Fischteichen, wie sie jeder kennt, gibt es dort auch größere und natürlich aussehende Gewässer, die von Wald umgeben sind. Unweigerlich fühlt man sich an Skandinavien erinnert. Auch was die Zahl der Stechmücken angeht. 

Weil dieses Teichgebiet nur von wenigen Menschen aufgesucht wird, ist es dort insgesamt sehr ruhig. Die schrillen Rufe des Eisvogels waren auch hier oft das einzige Geräusch, das ich hören konnte. Zwei Fischadler und vier Rotmilane befanden sich gleichzeitig auf der Suche nach Nahrung und kreisten am grauen Himmel. Man kann im Teichgebiet wirklich sehr gut abschalten und sich gleichzeitig auf die spannende Suche nach interessanten Tieren und Pflanzen begeben. Sogar meine allerersten Exemplare des hochgiftigen Wasserschierlings konnte ich an den Loher Teichen entdecken!

Das war schon toll.

Auf dem Rückweg nach Ostfriesland legte ich noch eine Pause in einem Heidegebiet zwischen Eschede und Hermannsburg ein. Dort war wirklich der Bär los. Die Fläche ist klein, aber die Zahl der Wanderer dort hätte an diesem Tag kaum größer sein können. Viele Schautafeln entlang des Rundwanderweges informieren die wissensdurstigen Menschen über die lokale Fauna und Flora. So werden dort auch Ringelnatter und Kreuzotter im direkten Vergleich miteinander vorgestellt. 

Während meines Aufenthaltes in der Südheide ist es mir nicht gelungen, auch nur eine einzige Kreuzotter zu finden. Sie kommt dort vor, das ist klar, aber vielerorts ist es wohl eher die Schlingnatter, die einem über den Weg kriecht. So war es auch auf dieser Heidefläche. Ich suchte zwar nach der Kreuzotter, erwartete aber eher die Schlingnatter.

Nach nur wenigen Minuten wurde ich fündig:

a second Smooth Snake from different location

Die Schuppen der Schlingnatter sind nicht gekielt, weshalb sie sich sehr gut anfühlt. Ihr zweiter Name, Glattnatter, deutet auf diese Eigenschaft hin. 

Dasselbe Tier im Portrait:

same 

Und natürlich begegnete ich an diesem Ort auch der Zauneidechse, die übrigens gerne von der Schlingnatter aufgegessen wird und zu ihren Hauptbeutetieren zählt:






second Sand Lizard

Auch von ihr schoss ich noch ein Portrait:

same

Am Abend dann begab ich mich auf den Heimweg und wurde in einem LIDL in Winsen an der Aller kurz vor Ladenschluss auch noch Zeuge eines Diebstahls. Ein junges Paar hatte den Kinderwagen mit allen möglichen Dingen vollgestopft und dem ahnungslosen Nachwuchs zu allem Überfluss auch noch eine Armbanduhr ums Handgelenk gewickelt. Auf das Band an der Kasse legten die Leute dann aber nur ein paar Brötchen. Es kam, was kommen musste: Der nervige Pieper ging los, und der Filialleiter bat zum Gespräch unter acht Augen.


Vielleicht ist euch aufgefallen, dass ich den Wolf gar nicht erwähnt habe.

Immerhin steht die Lüneburger Heide vor allem für dieses hochinteressante und gleichzeitig so missverstandene Tier, das ganzen Generationen von Kindern in zahllosen Märchen das Fürchten gelehrt hat.

Ich wisst es nicht, aber die Geschichte, die ich oben wiedergegeben habe, ist tatsächlich die wahre Version von Hänsel und Gretel. Ich habe meine Informanten. Jemand, der dem Hirntod schon sehr nahe gewesen sein muss, hat daraus, also aus dieser völlig banalen Story, gleich drei Märchen geschaffen. Und das nur, weil er kleinen Kindern schlaflose Nächte bereiten wollte.

Heute würde so etwas nicht mehr passieren, denn wenn man sich gruseln will, braucht man nur die Glotze einzuschalten. Irgendwo läuft zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas, das einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Das Sommerfest der Volksmusik ist nur ein Beispiel von ganz vielen.

Doch damals, als all diese Märchen entstanden, gab es nur die Kraft der Worte. In zwei von drei Fällen hat man hier als Bösewicht also den Wolf ausgewählt, ohne dass es nachvollziehbare Gründe dafür gab. Denn der Wolf als Kindermörder war schon damals alles andere als glaubwürdig. Besser hätte wahrscheinlich der Nachbar ins Schema gepasst, doch wie will man einem kleinen Kind erklären, dass der nette Mann, der die Bonbons verteilt, eigentlich nur Böses im Schilde führt.

Nicht nur in der Südheide kommt es immer wieder zu Übergriffen seitens des Wolfs auf Schafe und andere Nutztiere. Die Berichterstattung ist dann leider oft unfair. Denn wie will man einem Wolf erklären, wen er aufessen darf und wen nicht. Für ihn ist das Schaf einfacher zu erbeuten als das scheue Reh im Wald. Ich meine, wir gehen doch auch in den Supermarkt, statt im Outback nach Nahrung zu suchen.

Und weil wir Menschen so unglaublich zahlreich sind, ist das auch gut so!

"Ich finde den Wolf überhaupt nicht witzig. Es gibt Gegenden, in denen er Überhand nimmt. Dort müssen wir ihn entnehmen (also abballern ist gemeint, Red.)."

Diese unmissverständlichen Worte, die nichts anderes als eine Drohung sind, kamen jüngst Barbara Otte-Kinast über die Lippen. Diese Frau hat noch Ideale und Ziele! Sie möchte, falls die verfickte CDU die Landtagswahl in Niedersachsen gewinnen sollte, Agrarministerin werden. Das entsprechende Rüstzeug bringt sie mit, ist die Frau doch ausgebildete Landwirtin. Und wahrscheinlich, das ist jetzt nur so eine Vermutung von mir, auch Jägerin, zumindest aber Teil einer Familie, in der es auch Waidmänner oder -frauen gibt. Es ist nämlich hinlänglich bekannt, dass Landwirtschaft und Jagd einander oft sehr nahe stehen.

Ausnahmen soll es aber geben.

Liebe Frau Otte-Kinast, warum kommen eigentlich Länder wie Rumänien oder Spanien mit dem Wolf klar? Seit jeher leben die Menschen dort Seite an Seite mit diesem vermeintlichen Gruseltier. Und trotzdem fordert dort kaum eine Seele die "Regulierung" des Wolfes, obwohl es auch dort sicherlich zu Attacken auf Nutztiere kommt.

In Deutschland meldeten sich die ersten kritischen Stimmen bereits zu einem Zeitpunkt, als der Wolf noch darüber nachdachte, nach mehr als einem Jahrhundert deutschen Boden zu betreten. Und diese Stimmen kamen zumeist aus Jägerkreisen, aber auch viele Nutztierhalter hegten Zweifel.

Stefan Aust, Pseudojournalist aus dem Cuxland, hat in einem Artikel in der WELT in Goebbels-Manier gegen den Wolf gehetzt und so seine Position als Herausgeber dieser Zeitung missbraucht. Ein entsprechender Beitrag auf N24, gedreht im Stile einer Dokumentation, war dann auch nichts anderes als eine Verfilmung dieses Artikels. Ausgestattet mit denselben Textpassagen und denselben Vorurteilen und Lügen. Ein Zufall war das natürlich nicht, gehören doch sowohl die WELT als auch N24 zum Axel-Springer-Verlag.

Herr Aust ist bekennender Pferdezüchter. Er lebt und wohnt auf einem Hof zwischen Weser und Elbe und in einem Gebiet, in dem sich inzwischen auch ein Wolfsrudel niedergelassen hat. Weil Herr Aust Angst um seine zweifellos wertvollen Tiere hat, nimmt er es mit der erforderlichen Objektivität nicht mehr so genau.

Fakt ist, in Deutschland gibt es nicht mehr als 500 Wölfe. So viele Menschen leben in jedem noch so kleinen Dorf. 500 Wölfe, 80 Millionen Menschen. Wie, lieber Herr Aust, liebe Frau Otte-Kinast, kann man da von Überhandnehmen sprechen? Und selbst ein Anwachsen der deutschen Wolfspopulation in den kommenden Jahren, womit man rechnen muss, wird nichts an den Relationen ändern.

Merksätze: Der Planet ist nicht unser Eigentum, auch wenn die meisten Leute das sehr wahrscheinlich anders sehen. Es steht uns einfach nicht zu, darüber zu bestimmen, wie viele Individuen welcher Tierart wann und wo leben dürfen.

Der Wolf ist für den Menschen keine Gefahr. Von ganz wenigen Ausnahmen, die sich über Jahrzehnte und über die ganze Nordhalbkugel verteilen, einmal abgesehen. Aber selbst wenn es in unserer Republik zu einer ersten tödlichen Attacke eines Wolfes auf einen Menschen käme, dann bedeutete das doch nicht automatisch, dass der Wolf sein Bleiberecht in Deutschland verlöre.

Mir ist klar, dass in so einem Fall viele Bürger aufschreien und Forderungen nach einer verstärkten Regulierung des Wolfsbestandes stellen würden. Vor allem Menschen aus den bereits oben genannten Kreisen. Aber schaffen wir die Jagd ab, obwohl durch sie immer wieder Unbeteiligte ihr Leben lassen müssen? Ich erinnere an den jungen Mann aus dem brandenburgischen Nauen, der sich nur einen schönen Abend mit seiner polnischen Freundin in einem Maisfeld machen wollte.

Jetzt ist er tot!

Die Heide ist Wolfsland.

Und das ist gut so!


Ihr könnt mir glauben, ich habe alles gegeben, um eines dieser stolzen und schönen Tiere zu sehen.

So saß ich dreimal in der Abenddämmerung auf einem Hochsitz bei Schmarbeck, wo Wölfe zuletzt mehrere Schafe gerissen hatten, nur zwei Wochen vor meiner Ankunft.

Doch leider ging ich leer aus.

Die besten Chancen, einem Wolf zu begegnen, hätte man wohl auf einem der großen Truppenübungsplätze. Munster. Bergen, Rheinmetall. An den Wochenenden kann man sogar bestimmte Bereiche dieser in der Woche gesperrten Flächen betreten, doch ich verzichtete darauf, weil man einfach nicht überall gleichzeitig sein kann.

Ich konzentrierte mich auf wenige Gebiete, die ich dafür etwas genauer unter die Lupe genommen habe.

Und das war die richtige Entscheidung, wie ich finde.

Apropos Hochsitz: In der Südheide ist die Zahl dieser meist hölzernen Konstrukte noch deutlich höher als in Ostfriesland. Oft stehen selbst auf der kleinsten Lichtung gleich zwei dieser Teile nebeneinander. Manchmal stehen sie aber auch einander gegenüber am jeweils anderen Ende der Lichtung.

Wie zwei Duellanten im Europa des 19. Jahrhunderts.

Diesen Ansitz knipste ich in der Nähe des Flugplatzes Faßberg:


Märchen wie Hänsel und Gretel, Das Rotkäppchen und der Wolf oder Der Wolf und die sieben Geißlein halte ich für  unsinnig und nicht mehr zeitgemäß.

Mir haben sie zwar nicht geschadet, aber letztendlich schüren solche Geschichten vermeintliche Urängste, die völlig unbegründet sind. Bei vielen Menschen bleibt etwas hängen, weil sie sich neuen Erkenntnissen verweigern und lieber auf "Altbewährtes" zurückgreifen. Es ist schließlich auch einfacher, sich keine Gedanken zu machen.

Der Leidtragende ist in diesem Fall der Wolf. Er kann aber nichts dafür, dass mit uns Menschen etwas nicht zu stimmen scheint. Er kann auch nichts dafür, dass wir jeden Quadratzentimeter dieses Landes für uns selbst beanspruchen und dass nur aus diesem Grund Konflikte mit anderen Nutzern geradezu vorprogrammiert sind.

Wo in unserem Land sollen Gänse noch ungestört äsen?

Wo sollen Wildschweine wühlen?

Wo sollen Wölfe noch jagen?

Die Südheide hat sich bis heute mehr als nur einen klitzekleinen Rest Ursprünglichkeit bewahren können. Auch das, das will ich hier nicht unterschlagen, ist der Spezies Mensch zu verdanken. Gefährlicher als in Regionen ohne Wölfe ist es in der Südheide für uns Zweibeiner allerdings nicht.

Tatsächlich ist dieser Landstrich aber sehr gut geeignet für Menschen, die sich mal verlaufen wollen. Mindestens zwanzig Mal bin ich nach dem Weg gefragt worden, und obwohl ich doch selbst nicht aus der Region stamme, konnte ich in allen Fällen schnell und unbürokratisch weiterhelfen.

Blühende Heide im so genannten Wacholderwald bei Schmarbeck am frühen Morgen:


Wer anderen eine Grube buddelt,...

Ant Lions did that

... fällt am Ende selbst hinein.

In diesem Fall ist das allerdings Quatsch. Denn mit dem Entfernen des ersten Sandkorns steht bereits fest, dass der Ameisenlöwe am Grund des kleinen Trichters, den er aushebt, auf Beute lauern wird. Viele Trichter, das bedeutet, dass es sich hier um viele Ameisenlöwen handelt. Ich fand sie in einer Wanderhütte am Rande des oben erwähnten Wacholderwaldes. Gut geschützt vor den Unbilden des Wetters.

Der Ameisenlöwe ist wiederum nichts anderes als das Larvalstadium der Ameisenjungfer, die vor allem in sandigen Gebieten vorkommt und dort in großer Zahl fliegen kann, wenn die Bedingungen perfekt sind.

In der Südheide ist das auch heute noch der Fall.


Ach so, fast hätte ich es vergessen.

An meinem letzten Tag sah ich dann doch noch einen Wolf:


fake Grey Wolf tried to attack and eat me, but I was stronger than him ;-)

Heimtückisch und blutrünstig, wie es seine Art ist (vergleiche Artikel von S. Aust in der WELT), lauerte er am Wegesrand auf vorbeikommende Passanten.

Auf den ersten Blick sieht man, was für ein bösartiges Tier der Wolf doch ist. Auch jetzt noch, während ich das schreibe, stellen sich mir die Nackenhaare auf, weil mir diese Begegnung so lebhaft in Erinnerung geblieben ist.

Ob ihr's glaubt oder nicht, es ging für mich um Leben und Tod!


Okay, tatsächlich handelt es sich hier um einen Alaskan Malamute. Diese dem Wolf recht ähnliche Hunderasse stammt aus Nordamerika und wurde gezüchtet, um den Menschen die Arbeit zu erleichtern. Seine Ähnlichkeit mit dem Wolf geht so weit, dass er nicht bellt, sondern ausschließlich heult.

Ich habe das selbst gehört.

Das hier gezeigte Tier stammte allerdings nicht aus Alaska, sondern aus der tiefsten Pfalz, wo Menschen wie Heinz Becker ihr Unwesen treiben und der 1. FC Kaiserslautern in der Vergangenheit immer wieder für sportliche Erfolge gesorgt hat.

Die freundlichen Besitzer hatten noch zwei weitere Hunde dabei, doch die waren Mischlinge durch und durch.

Ende.