wilde perspektiven

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Mittwoch, 17. April 2024

Die Misteldrossel, ein neuer Brutvogel des Rysumer Nackens

Neverkusen war gestern.

Und Vizekusen dürft ihr ab jetzt auch nicht mehr sagen.

Völlig verdient hat sich Bayer Leverkusen die Meisterschale geschnappt.

Und das schon am sechstletzten Spieltag!

Ich bin wahrlich kein Fan dieses Vereins, aber wer über eine ganze Saison so souverän auftritt, der braucht sich für den Titel bestimmt nicht zu schämen.

Und der VfL Osnabrück?

Der hat sich (fast schon wieder) den Abstieg gesichert. Theoretisch ginge da noch was, aber an Wunder kann und will ich nicht so recht glauben. Ich meine, ich bin ja auch kein Kreationist. Die Hypothek der Hinrunde, in der die Mannschaft sich nur neun Punkte erkämpfen konnte, wird nicht mehr zu kompensieren sein, obwohl der neue Trainer Uwe Koschinat der Mannschaft offensichtlich wieder so etwas wie Spielfreude eingeimpft hat. Immerhin hat es in der Rückrunde bislang für satte 15 Punkte gereicht.  

Egal.

Neulich saß ich im Auto auf dem Rysumer Nacken, nachdem ich zu Fuß eine satte Strecke von 21 Kilometern zurückgelegt hatte. Ich saß also verdientermaßen und auch etwas erschöpft im Auto, um das mal zu betonen, und aß gerade eine Käsestulle, als da plötzlich eine Misteldrossel auf dem Acker, der sich "cinematisch" vor meinem Auto und mir ausbreitete, auftauchte. Wenig später waren es schon zwei. Und dass die beiden Vögel irgendwie zusammengehörten, konnte ich auch sofort erkennen. 

Es waren übrigens keine Erddrosseln.

Und es war der 18. März.

Und dieser Tag sollte ein denkwürdiger werden, denn das Weibchen begann damit, Nistmaterial zu sammeln. 

Heute, ihr lieben Mitmenschen da draußen, geht es hier also um den ersten belegten Brutnachweis der Misteldrossel für den Rysumer Nacken überhaupt!

Und so sieht Deutschlands größte Drossel aus:


I am a male Mistle Thrush

Viel Vogel auf wenig Bild.

Hier passt alles etwas besser zusammen, wie ich finde:

foraging on a field

"In Emden ist der Brutbestand (der Misteldrossel) rückläufig von 15 Paaren im Jahr 1991 auf 13 Paare im Jahr 2002 und sieben Brutpaare im Jahr 2006/2007."

Das schrieb der Emder Vogelgucker Klaus Rettig im Jahr 2007 in seinem Brutvogelatlas Stadt Emden

2008 bin ich nach Aurich gezogen, wenig später nach Emden. Für brütende Misteldrosseln hat es für mich in dieser Stadt in all den Jahren seit meinem Umzug nicht gereicht. Doch das bedeutet nicht, dass es in Emden in diesem langen Zeitraum keine brütenden Misteldrosseln gegeben hat. Eher ist es so, dass dieser Mangel an Nachweisen meine persönlichen Vorlieben widerspiegelt, denn in der Stadt gucke ich nun wirklich nicht gerne Vögel.

Es besteht also die Möglichkeit, dass die Misteldrossel in all den Jahren in Emden gebrütet hat, ohne dass ich das mitbekommen habe, zumal es durchaus geeignete Ecken für diesen Vogel gibt mit alten Bäumen, wie man sie z. B: auf den Wallanlagen finden kann oder auf dem Friedhof Tholenswehr, und angrenzendem offenen Land, das die Misteldrossel für die Nahrungssuche benötigt. 

Für den Rysumer Nacken im äußersten Westen Emdens hat Klaus Rettig nie brütende Misteldrosseln gemeldet. Und das darf nicht erstaunen, denn zu Klaus' Zeiten war das Gebiet viel zu offen und baum- sowie buscharm. Doch genau das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Über die Jahre sind große Teile des Rysumer Nackens immer mehr verbuscht und verbaumt. 

Dieser Strukturwandel, ich bezeichne das jetzt mal so, hat auch dazu geführt, dass sich im Gebiet Vogelarten ansiedeln konnten, die dort zu Klaus' Zeiten noch gefehlt hatten. 2013 brütete dort erstmals der Baumpieper, und nur ein Jahr später, also 2014, gelang mir der erste Brutnachweis des Neuntöters für dieses Gebiet und für ganz Emden.

Und nun folgt also die Misteldrossel: 



for the very first time this species has bred at so called Rysumer Nacken which belongs to the city of Emden

Lügen haben kurze Beine:


this species has quite short legs

Und die Misteldrossel auch. 

Zumindest ist es mein Eindruck, dass diese Art die porportional kürzesten Beine aller in Deutschland auftretenden Drosseln besitzt. Aber vielleicht unterliege ich da auch einer optischen Täuschung oder so ähnlich und so weiter, ihr kaputten Schnapsdrosseln da draußen.

Das Weibchen baute also ein Nest.

Und dieses Nest, das fand ich schnell heraus, befand sich in einer noch sehr jungen Schwedischen Mehlbeere in nur zwei Meter Höhe und am äußersten Rand des Gehölzes!

Mit Feldblick, wenn man so will. 

Weil der Stammquirl aber nicht die beste Unterlage für dieses Nest bot, lag die ganze hochgeschleppte Kacke nur einen Tag später auf dem Boden. Doch als Misteldrosselin lässt man sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, und in nur wenigen Tagen wurde einfach ein neues Nest zusammengeschustert. Diesmal in einer Sommerlinde, nur wenige Meter vom ersten Nest entfernt und ebenfalls in einer eher geringen Höhe von nur zwei Metern.

So sieht es aus:










the nest is not really well camouflaged, which is typical for Mistle Thrush

Als Misteldrossel ist man sehr wehrhaft und kann im Team auch eine Elster vertreiben oder einen Eichelhäher

Ob es im Zweifel auch für eine Rabenkrähe reichen würde, weiß ich aber nicht.  

Weil die Art aber sehr mutig ist, hat sie es nicht nötig, das Nest besonders gut zu verstecken. Es ist geradezu typisch für die Misteldrossel, das Nest völlig frei in einer Astgabel dicht am Stamm zu errichten. 

Ich bin in den letzten Wochen oft am Tatort gewesen, und nicht nur einmal gab es Kasalla ohne Ende, wie es Ex-Fußballprofi und Ex-Reeeeemscheid-Trainer Thorsten Legat bestimmt ausdrücken würde. Doch nicht etwa Rabenvögel waren die Ursache für diese lautstarken Ausseinandersetzungen, sondern ausnahmslos ein Sperberweibchen, das dieses Gehölz immer wieder ansteuerte, um sich dort auszuruhen oder im Hinterhalt auf Beute zu lauern. Viel Lärm gab es dann immer, viele Attacken wurden von den Drosseln geflogen, und Ruhe kehrte stets erst dann wieder ein, wenn sich der verhasste Krummschnabel entlich wieder verzogen hatte.

Nahrungssuche auf dem angrenzenden Acker:






foraging on an adjacent  field

"Ey, was guckst du?"



"Why the hell are you staring at me?"

In Ostfriesland ist die Misteldrossel ein Vogel der Geest.

Wirklich häufig ist sie aber auch dort nicht. Von allen in Ostfriesland brütenden Drosselarten tritt die Misteldrossel in der geringsten Siedlungsdichte auf. Vielleicht liegt es einfach an ihrer Größe, dass sie mehr Platz benötigt als die kleineren Arten wie etwa Amsel oder Singdrossel

Auf dem Rysumer Nacken ist die Misteldrossel in der Vergangenheit immer nur ein spärlicher Durchzügler vor allem von Februar bis März sowie in den Monaten Oktober und November gewesen, seit ich dort beobachte. Nur ein einziges Mal, nämlich am 21. Februar 2021, hatte ich dort ein singendes Männchen, doch schon am nächsten Tag konnte ich es nicht mehr am Beobachtungsort nachweisen. 

Die Spanische Wegschnegge ist wieder in unglaublicher Anzahl auf dem Rysumer Nacken unterwegs:


subadult Spanish Slug

Vor allem Jungtiere können sehr verschieden, vor allem aber hübsch gefärbt sein.

Viele sehen so aus wie das obige Tier, und diese Variante bezeichne ich in meinen wirren Gedanken immer als Blindschleichen-Morphe, weil solche Individuen mich an weibliche Blindschleichen erinnern, nämlich an den Flanken dunkelbraun gefärbt, auf dem Rücken goldig. 

Drei Individuen an einem Riss:



note the variation 

Wie Löwen in der Serengeti. 

Die Spanische Wegschnegge, die nicht aus Spanien stammt und dort überhaupt nicht vorkommen soll, hat so gut wie keine natürlichen Feinde. Das Sekret, das diese Tiere absondern, ist so klebrig, dass keine Sau jemals auf die Idee käme, so eine Schnegge zu erbeuten. 

Doch es gibt auch immer mindestens eine Ausnahme. 

So konnte ich beide Misteldrosseln auf dem Rysumer Nacken dabei beobachten, wie sie diesen Nacktschneggen nachstellten. Sie packten die Biester mit dem Schnabel (womit auch sonst) und rieben sie ausgiebig gegen den Untergrund, um sie schließlich zu verschlingen. Danach wurde auch noch der Schnabel ewig lange gegen den Boden gerieben. Aufgegessen wurden aber nur nur Jungtiere, die erwachsenen Wegschneggen dürften tatsächlich keine Feinde mehr haben. 

Vor einigen Jahren sah ich ein Amsel-Weibchen im Wybelsumer Polder, das seinen Nachwuchs zeitweilig mit jungen Spanischen Wegschneggen fütterte. Wahrscheinlich hat es seine Kinder gehasst oder so und gehofft, der fiese Schleim der Schneggen möge ihnen für immer den Schnabel verkleben, um endlich Ruhe zu haben wie vor der Brutzeit. Auch dieser Vogel musste nach jeder Fütterung erst einmal seinen Schnabel aufwändig reinigen, indem es ihn, wie die Misteldrosseln, gegen den Boden rieb und wischte.

Wieder was gelernt.

Warum ist die Spansiche Wegschnegge eigentlich so erfolgreich? 

Vielleicht auch deshalb, weil sie nahezu alles essen kann:



one slug eating another, which was killed before by a vehicle

Eben auch dem Straßenverkehr zum Opfer gefallene Kollegen der eigenen Art.

Misteldrosseln:





same specimen

Mein Versteck auf dem Acker sah so aus:


my hide on early morning

In dem Kunststoffbehälter links befanden sich die Mehlwürmer, im Marmeladenglas Regenwürmer

Die hatte ich zuvor bei noch völliger Dunkelheit auf der nahen und regennassen Straße eingesammelt. Es war aber ein brotloser Job, denn wenn man als Misteldrossel die Wahl hat zwischen diesen beiden Grundnahrungsmitteln, dann entscheidet man sich immer für die Mehlwürmer.

Wirklich immer!

Schon Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg, schon seit vier Jahren verstorben, meinte mal salopp: "Regenwürmer schmecken scheiße.

Wenn gerade kein Vogel anwesend war, dann konnte ich andere Bilder schießen:


few minutes after sunrise

Da war die Sonne gerade aufgegangen. 

Das Gehölz, in dem die Misteldrosseln brüten, sieht so aus:


where the Mistle Thrushes breed

So unglaublich schön, das frische Grün!

Für mich ist der April der tollste Monat des Jahres. Alles um einen herum erwacht zum Leben, die meisten der im Süden überwinternden Vögel kehren in diesem Monat heim. Alles ist so kurzweilig, noch viel kurzweiliger, als es der Rest des Jahres ohnehin schon ist. 

Nur das Wetter lässt einen manchmal im Stich.

Denn das Licht am frühen Morgen war keineswegs immer so geil, wie es die beiden Bilder da oben suggerieren:


the male




same

Oft war es einfach nur finster (siehe unten).

Das Weibchen hat übrigens deutlich weniger stark ausgeprägte Brustseitenflecke als das Männchen:


female

Ob es diesen Unterschied nur bei diesem Paar gibt oder es sich vielleicht sogar um ein allgemeingültiges Unterscheidungsmerkmal der Geschlechter handelt, ist mir nicht bekannt. 

Aber ihr könnt ja mal darauf achten. 

Hier hatte das Weibchen soeben einen wirklich fetten Regenwurm erbeutet, dessen Ende noch aus dem Schnabel hervorlugte:


with Earthworm

Ich weiß nicht mehr, wann genau es losging.

Von einer Sekunde auf die andere fühlte ich mich jedenfalls beobachtet. 

In meinem eigenen Wagen! 

Und immer wieder hörte ich Schritte, mal ganz leise, mal lauter. Ich glaube, ich war dem Wahnsinn schon sehr nah. Und ich traute mich nicht einmal mehr, in der Nase zu bohren, weil ich nicht wusste, wer mich da bespitzelte. 

Am Ende zeigte sich der kleine Schwarzfahrer-Spion ganz ungeniert auf meinem Armaturenbrett:



lived for few days in my car, this cute Philodromus albidus

Es war ein nur siebenbeiniger Heller Flachstrecker, den ich wohl versehentlich mit meinem Tarnzelt oder anderem Krimskrams ins Auto verfrachtet hatte. 

Ich entließ ihn einen Tag später in die Freiheit, weil ich erst einen Tag später wieder auf dem Rysumer Nacken war, woher das Tier nämlich gestammt haben dürfte.

So sieht übrigens ein Baumpieper aus:



Tree Pipit

Der hier singt sich zurzeit die Kehle wund auf dem angeblich 30 Millionen Euro teuren neuen Gassco-Antiterrorzaun.

Nur wenige Meter von den Misteldrosseln entfernt, auf einer versumpften Kuhweide, beobachtete ich im März etliche Bergpieper, von denen einige bereits sehr prächtig aussahen. 

Auf dem folgenden Bild sind drei Männchen zu sehen, aufgenommen an einem trüben Tag:


three Water Pipits on a swampy pasture

Normalerweise begegnet man dem Bergpieper in Ostfriesland im Schlichtkleid:


Water Pipit in nonbreeding plumage, taken from the archives

Aber ab Mitte Februar geht es dann los mit der Mauser, doch wann genau sie beginnt und in welchem Umfang ein echtes Prachtkleid angelegt wird, ist individuell verschieden und dürfte wohl auch vom Geschlecht der Vögel abhängen. 

Wie im Falle des hier schon so oft gezeigten Strandpiepers kann man davon ausgehen, dass sehr bunte Individuen immer Männchen sind. 

Und auch der folgende Vogel war definitiv ein Kerl:


male Water Pipit in breeding plumage, this bird sang right in front of my hide (subsong only!)

Ein echter Prachtkerl, wenn man so will. 

Direkt neben meinem Tarnzelt sang er nämlich nahezu pausenlos sein wenig ansprechendes Lied..

Er sang aber nicht voll, Vollgesang gibt es bei dieser Art nur im alpinen Brutgebiet, aber er plauderte munter drauflos, eben wie ihm der Schnabel gewachsen war. Subsong nennt man das; es handelt sich hier um so eine Art Einstimmung auf das, was in Kürze folgen würde. 

Hooochtiiied und so weiter, ihr wisst.

Und tatsächlich war dieser Bergpieper schon am folgenden Tag nicht mehr vor Ort. Er war abgereist und befand sich schon auf dem Weg in die Berge. Und das ist auch ganz allgemein das Problem, wenn man prächtige Bergpieper hier in Ostfriesland in Bildern festhalten möchte. Sobald sie mit ihrer Mauser beginnen, vergeht nicht mehr viel Zeit bis zu ihrem Abflug. 

Auf dieser Sumpfwiese waren die Bedingungen eigentlich optimal. Es waren über einen relativ langen Zeitraum von drei Wochen immer etliche Vögel anwesend, maximal sah ich 23 Indivduen am 19. März. Und dass es an diesem Tag so viele Vögel waren, bekam ich auch nur deshalb mit, weil ein Sperber die ganze Bande vor meinen Augen aufscheuchte. Im zum Teil recht hohen Gras fallen solche Kleinvögel nämlich kaum auf. 

Und obwohl meistens mindestens ein prächtiger Bergpieper an meinem Futterplatz Mehlwürmer naschte und diese auch noch gegen lästige und meist ebenfalls sehr prächtige Konkurrenten verteidigte, hat es nicht für weitere Fotos gereicht. Es war wie verhext in diesem Frühjahr, denn schon seit der Zeit vor Ostern hat es kaum mehr Tage gegeben, an denen es am frühen Morgen nicht komplett bedeckt war. Manchmal war es sogar so, dass sich mir der Himmel über meinem Anwesen noch leicht bewölkt präsentierte, doch spätestens wenn ich im 25 Kilometer entfernten Versteck auf meiner Isomatte lag und die Sonne in wenigen Minuten aufzugehen drohte, zog es sich blitzartig zu. 

Licht aus, zappenduster. 

Zu allem Überfluss begann es etliche Male auch noch zu regnen!

Jetzt, heute ist der 17. April, halten sich längst keine Bergpieper mehr auf der Kuhweide auf. Dafür hat man inzwischen die Kühe in den Sommer geschickt. Angst habe ich nicht vor ihnen, aber sie sind immer sehr neugierig und kommen sofort angetrottet, weil sie auch sonst nie etwas Wichtiges zu tun haben. Noch schlimmer aber ist die Tatsache, dass sie sich gerne an meinem Tarnzelt reiben, wenn es juckt, und dabei zerbrechen dann die Stangen. 

Alles schon erlebt, u. a. im Wybelsumer Polder. 

Ich meine, Kühe sind halt eher grobmotorisch unterwegs, da darf man auch nicht zuviel erwarten. 

Natürlich können auch jetzt noch einzelne Bergpieper auftauchen, doch wäre dann reiner Zufall, und da ließe sich auch nichts mehr planen, weil diese späten Durchreisenden meistens schon am nächsten Tag wieder verschwunden sind. 

Erst hatte ich also kein Glück. Und dann kam auch nich Pech hinzu.

In den Niederlanden beringt übrigens jemand überwinternde Bergpieper. Man möchte herausfinden, woher die Vögel, die dort und auch bei uns in Norddeutschland überwintern, überhaupt stammen. Leider hat es bislang nicht für Wiederfunde aus einem der Brutgebiete gereicht, wie ich aus sicherer Quelle erfahren habe. Maximal konnte einer der farbig markierten Bergpieper nur sieben Kilometer vom Beringungsort entdeckt werden. 

Viel ist das nicht, doch auf der anderen Seite kann man auch nicht von einer Überraschung schreiben, denn wie viele Menschen halten sich im Sommer in den oft unzugänglichen Brutgebieten des Bergpiepers oberhalb der Baumgrenze auf? Viel Glück, ein großer Zufall sowie die trainierten Augen eines versierten Beobachters müssten da schon zusammenarbeiten, wenn sich an dieser Wissenslücke jemals etwas ändern soll. 

Mein bereits halb abgebautes Tarnzelt:


the "skeleton" of my hide. The Water Pipit stood next to a Common Rush on the right hand side

Der Bergpieper stand an seinem Stammplatz im Schatten eines Binsenhorstes und sang. 

Nochmal dasselbe Männchen wie oben, doch diesmal mit etwas Sonne in meinem Rücken, die das Rosa der Unterseite fast schon in ein blasses Orange abdriften ließ:



same specimen, but with sunlight in my back. Note the rosy supercillium, which actually is supposed to be white according to diverse field guides. I have checked many males in the field this spring, a rosy supercilium is not an exception

Was fällt euch noch an diesem Vogel auf?

Genau, sein Überaugenstreif ist nicht etwa weiß, wie es in den Bestimmungsbüchern geschrieben steht, sondern ebenfalls rosa! Und besonders kräftig ist der Farbton oberhalb des Zügels. Nachdem ich das erst zu Hause auf dem Bildschirm bemerkt hatte, achtete ich auch im Feld auf diese "Unstimmigkeit". Und tatsächlich zeigte etwa die Hälfte der mutmaßlichen Männchen einen rosafarbenen statt weißen Überaugenstreif. 

Das ist doch mal was!

Neben einigen Bergpiepern rastete am 25. März auch eine Gebirgsstelze auf der Kuhweide:


a migrating Gray Wagtail had a rest on the same pasture

Der bestmögliche Lebensraum war das jetzt nicht für diese Art, aber auf dem Zug und auch im Winterquartier gibt man sich als Gebirgsstelze auch schon mal mit fast nichts zufrieden. 

Am 29. März standen diese beiden Austernfischer auf einer Brücke, die das Knockster Tief unmittelbar vor dem Erreichen des Mahlbusens überspannt, gelangweilt herum:


Oystercatcher

Und am 11. April beobachtete ich die eigentümliche Gruppenbalz der Brandente mitten auf dem Weg zwischen dem Restaurant Strandlust und dem eigentlichen Strand:


Shelducks were displaying on a day without any light

Es war bedeckt und so finster, dass das Grün von Kopf und Hals nur noch schwarz aussah. 

Schlimm.

Ein weiblicher Buchfink ließ sich wie die Misteldrosseln mit leckeren Mehlwürmern vor die Kamera locken:



female Chaffinch

Das dazugehörige Männchen knabberte fleißig mit, doch vorzeigbare Bilder von ihm sind mir nicht gelungen. 

Zurück zur Misteldrossel:






the last five images show the male 

Die letzten fünf Bilder zeigen wieder den Kerl.

Wenn die Ehefrau vor meinem Versteck auftauchte, dann war sie stets auch rasch wieder verschwunden. So schnell es ging, schaufelte sie Mehlwürmer in sich hinein und hüpfte oder lief so furchtbar hektisch hin und her, dass ich von ihr nur wenige brauchbare Bilder hinbekommen habe. Sie hatte es immer eilig, weil sie wohl das Nest mit den Eiern nicht zu lange unbeaufsichtigt lassen wollte. Einerseits wegen möglicher Prädatoren, andererseits, weil sich die Temperatur hier auch jetzt noch im Keller befindet.

Das Männchen dagegen ist tiefenentspannt und bleibt auch schon mal länger ganz ruhig stehen. Und nachdem es gegessen hat, sammelt es stets noch einen ganzen Wust an Mehlwürmern ein, die es dann an das auf dem Nest sitzende Weibchen verfüttert. 

Am frühen Morgen ist es bis heute immer der Mann gewesen, der zuerst auf dem Acker auftauchte. Und nachdem er seiner Frau das Frühstück ans Bett gebracht hat, taucht kurz darauf auch sie vor meinem Tarnzelt auf, weil so eine kleine Mahlzeit natürlich niemals ausreichen kann für eine ausgewachsene Misteldrossel. Wenn er mir Mehlwürmer bringt, so denkt sie bestimmt immer, dann hat der komische Zweibeiner wohl schon den Tisch gedeckt. 

Und dann muss ich sofort los.

Anders ausgedrückt: An der Art der Beutetiere hat das Weibchen immer auf der Stelle erkannt, dass da wieder frisches Essen auf dem Acker auf seine Abholung wartet.

Klug, doch es sollte noch besser kommen. 

Aber das, was ich mit dem Männchen erlebt habe, verrate ich euch erst im kommenden Bericht, in dem es aber hauptsächlich um eine Cousine der Misteldrossel gehen wird. Vorwegnehmen kann ich aber immerhin schon mal, dass mir ausnahmsweise mal richtig geile Bilder von dieser Cousine gelungen sind, obwohl es erst das dritte Mal gewesen ist, dass sie mir vors Tarnzelt gelaufen ist.

jedenfalls sind es die mit Abstand besten Fotos, die ich jemals von ihr hinbekommen habe!

Zu nah:



the male came very close! This is not a crop

Das Bild ist keine Ausschnittvergrößerung!

Der Misteldrossel-Mann kam nicht selten so nah heran, dass ich ihn nicht mehr in seiner ganzen Pracht aufs Bild bekommen konnte. 

Dann musste ich warten, bis er sich wieder etwas zurückgezogen hatte:


note the pale fringes of most wing feathers. This is the easiest way to separate this species from Song Thrush

Auf diesem Bild, das uns stolz die Oberseite der Misteldrossel präsentiert, sieht man schön die hellen Federränder nahezu aller Flügelfedern. 

Die bei oberflächlicher Betrachtung ähnliche Singdrossel, die natürlich auch deutlich kleiner ist, lässt sie komplett vermissen. 


please also note the dirty feathers at the base of the bill. Maybe this bird was digging for food before

An diesem Tag, an dem ich wohl die meisten Fotos vom Männchen geschossen habe, zeigte es leider eine schmutzige Schnabelbasis.  

Ich vermute, der Vogel hatte zuvor ausgiebig nach Nahrung gebuddelt. 

Auf den beiden folgenden Bildern kann man das auch sehr gut erkennen:




the male

So schlimm das klingen mag, aber das gibt Abzüge in der B-Note. 

Hier auch:


same

Jipppiiiiie, inzwischen sind die Kinder geschlüpft!

Denn am 16. April ließ sich der Mann plötzlich nicht mehr nur im Rhythmus einer Stunde auf dem Acker blicken, nein, jetzt verging keine Viertelstunde mehr, bis der Vogel wieder vor meiner Linse stand. 

Das Weibchen hingegen füttert noch nicht. Auch hier vermute ich, dass es vor allem wegen der Kälte auf dem Nest sitzen bleibt, um den noch nackten Nachwuchs zu wärmen. Laut Literatur vergehen in der Regel 13 bis 14 Tage bis zum Ausfliegen der Jungen. Man kann also davon ausgehen, dass die Kinder das Nest Ende April verlassen werden. 

Mal schauen, vielleicht bin ich dann ja zufällig auf dem Rysumer Nacken, um das freudige Ereignis in Bildern festzuhalten.

"Hilfe, ich seh' nichts mehr!"


papa brings food for his kiddies

Brett vorm Kopf. 

Fleißig, fleißig:


not money, but food for nothing. Lecker Mealworms are the secret behind all these photographs

Das Teil auf dem Scheitel trug der Vogel minutenlang mit sich herum:



hard working Crested Mistle Thrush

Der großartige VfL Osnabrück geht also wieder runter.

Doch kann man wirklich von einem Abstieg schreiben? 

In Liga 3 tummeln sich kaum weniger Traditionsvereine mit wunderschönen Stadien und einer riesigen Fangemeinde als in der 2. Liga.  Rot-Weiss Essen, !860 München, der Karlsruher SC, der 1. FC Saarbrücken, Waldhof Mannheim, Arminia Ballifelti, Dynamo Dresden. Erzgebirge Aue und so weiter. Hinzu wird sehr wahrscheinlich auch noch die Alemannia aus Aachen kommen, und wenn die Preußen aus Münster nicht doch noch aufsteigen sollten, dann wird es auch wieder das geile Derby mit den flügellahmen Adlern aus der Stadt im benachbarten Westfalen geben.

Aus der Sicht eines echten Osnabrückers ist diese Zweitliga-Saison also bereits gelaufen. Spannend ist eigentlich nur noch die Frage, wer uns in die 3. Liga begleiten wird. Eintracht Braunschweig wäre da mein absoluter Wunschkandidat – und gegen den BTSV geht es schon am kommenden Samstag –, doch es kann auch den FC Hansa Rostock treffen oder gar die Lauterer.

Wir werden sehen.  

Zu guter Letzt gibt es jetzt noch etwas, das ich als eine große Überraschung bezeichnen würde.

Der Misteldrossel-Mann hat seit seiner Enttarnung durch mich nicht ein einziges Mal gesungen! 

Nicht vor dem Nestbau, nicht während der Eiablage, nicht während des Brütens. Ich bin in den letzten Wochen, also seit ich die Vögel entdeckt hatte und auch schon davor, nahezu täglich im Gebiet gewesen, vor allem morgens, doch von Gesang absolut keine Spur.  

Gäbe es nicht immer wieder die bereits weiter oben beschriebenen lautstarken Auseinandersetzungen mit einem Sperber, könnte man die Vögel als extrem heimlich, wenigstens aber unauffällig bezeichnen. 

Ein Erklärungsversuch: Ich gehe davon aus, dass die Misteldrosseln bereits verpaart im Gebiet angekommen sind, das Männchen also keine Partnerin mehr anzuwerben brauchte. Darüber hinaus gibt es auf dem Rysumer Nacken und auch in der näheren Umgebung keine weiteren Misteldrosseln, sodass das Revier nicht gegen mögliche Konkurrenz verteidigt oder auch nur abgegrenzt werden musste. 

Trotzdem, so etwas hatte ich nie zuvor gesehen. 

Auf der anderen Seite bekommt man von diversen Singvögeln, die keinen Reviergesang äußern, in den allermeisten Fällen wohl auch rein gar nichts mit. Dass ich diese beiden brutwilligen Misteldrosseln überhaupt entdeckt habe, war nur dem Umstand zu verdanken, dass ich Bock auf eine Käsestulle hatte.

Es war ein Zufall.

Nicht mehr, nicht weniger. 

Kinners, bis denne!


Edit: Ein Bild habe ich zweimal gezeigt, wie ich gerade festgestellt habe. 

Egal.